Heute sollte es endlich losgehen und ich war ganz schön nervös. Wäre doch eigentlich laut Beschreibung ein ATP (Alien Travel Permit)
für die Reise nach Shigatse nötig, welches ich aber nun mal nicht habe. Wie ich von der Busfahrt vom Flughafen nach Lhasa weiß,
wartet bei der ersten Etappe auch schon ein Checkpoint auf mich.
Es dauerte eine Weile, bis ich aus der Stadt raus kam. Das Schlimmste, der Verkehr. Die meisten Fahrer haben hier die blöde
Angewohnheit, erst mal zu hupen, wenn sie auf einen zu fahren. Sehr nervig, da hebt es einen fast aus den Sattel, wenn so ein
Lastwagen direkt neben einen zu hupen anfängt. Aber die Straße war heute noch durchgehend geteert und vor allem absolut flach.
Man muß sich zuerst immer Richtung Flughafen halten. Kaum radelte ich 30 km, gab es auch schon den ersten Platten.
Natürlich erregte ich mit meinem Fahrrad einiges Aufsehen, überall wo ich durchkam. Aber die Leute, speziell die Kinder waren nett
und hielten die Hand raus zum abklatschen.
Kurz vor dem ersten Checkpoint machte ich in Dagar Mittag bei einem Chinesen. Dank meines Chinesisch-Sprachführers konnten wir
uns sogar auf primitivste Weise verständigen. Im Buch sind Sätze auf Deutsch und Chinesisch nebeneinander gestellt, unter anderem
auch eine Speisekarte. Durch Deuten zeigte mir der Wirt, was er so machen kann. Es gab Rindfleisch mit viel Zwiebel, sehr lecker.
Den Rest lies ich mir einpacken, das sollte mein Abendessen werden.
Dann kam die Brücke in Chaksam mit besagtem Checkpoint. Drei Soldaten waren über die Brücke verteilt. Also freundlich lächeln, schön
gemütlich vorbeiradeln und nach der Brücke Gas geben. Aus den Augen, aus den Sinn. Nach der Brücke geht es links zum Flughafen
und rechts weiter Richtung Gyantse. Man kommt durch ein paar Dörfer und 12 km nach der Brücke gabelt sich die Straße kurz
vor einem Dorf. Bis hierher war alles geteert. Links geht völlig unscheinbar eine Schotterstraße ab. Ein paar Meter weiter findet
sich ein einigermassen versteckter Campingplatz auf Terrassen. Wasser muß man weiter unten vom Fluß holen.
07.10.03 - 2. Etappe: Kampa La - ooh la la!
Etappe
Kampa-La (4974 m)
Kilometer
30 km
Höhenmeter
1200 m
Uhh, was für ein Tag! Es ging schon morgens los. Beim Flicken des Plattens von gestern legte ich den Schlauch nicht richtig in
den Mantel rein, den es nun über Nacht wieder rausgedrückt hat. Als ich das ganze reparieren wollte, durchstach ich mit dem
Reifenheber den Schlauch genau am Ventil. Also mußte der Ersatzschlauch rein und das schon am zweiten Tag! Inzwischen war ich
dann doch etwas sauer, tja und in der Hektik, hab ich dann gleich auch noch den
neuen Schlauch angestochen. Aber, irgendwann klappte es dann doch und der Reifen ist jetzt vor erst mal wieder dicht.
Um 10 Uhr kam ich also los, um 17:30 Uhr war ich am Paß. Dazwischen lag eine Schinderei ohne Ende. Nur Dreckstraße und je weiter
nach oben, umso schlechter wurde der Belag. Dazu viele Autos und Lastwagen, die jede Menge Staub aufwirbelten. Als ich wieder
mal eine Serpentine geschafft hatte, standen da doch tatsächlich zwei Typen in orangen Westen. Straßenarbeiter, die mit der
Schaufel Schlaglöcher zuschütteten. Die dürften für den Rest ihres Lebens ein Auskommen haben, allein um die Straße hoch zum
Kampa La wieder in Ordnung zu bringen.
Ich kam inzwischen nur noch in 50 - 100 m Etappen voran, dann mußte ich erst mal wieder zu Atem kommen. Aber alles hat ein Ende,
so auch dieser Paß. Der Blick von oben entschädigte für einiges. Unter mit lag der Yamdrok-Tso, einer der heiligen Seen Tibets
(was ist hier nicht heilig?), der türkisfarben wie ein norwegischer Fjord aussieht. Rote Hügel ringsum und in der Ferne
Gletscherberge.
Nach einer beschwingten Abfahrt, bei der ich ordentlich durchgeschüttelt wurde, baute ich mein Zelt direkt am See auf, welcher
zum Glück mit Süßwasser gefüllt ist. Der Sonnenuntergang ist unbeschreiblich, die an sich roten Hügel rundherum leuchteten
unglaublich. Kalt war es übrigens auch.
08.10.03 - 3. Etappe: Yamdrok-Tso
Etappe
Yamdrok-Tso
Kilometer
46 km
Höhenmeter
20 m
Frühmorgens kamen zwei Kinder mit ihren Eltern und zwei Yaks daher. Da war es erst mal vorbei mit Einpacken. Die Kleinen
durchwühlten alles. Immer auf der Suche, ob nicht doch was für sie abfällt. Da heißt es Ruhe bewahren. Aber sie waren so nett
und halfen mir wieder beim Einpacken und die Sachen auf das Fahrrad zu verstauen.
Die ganze Fahrt heute ging am Yamdrok-Tso entlang. Einfach wunderschön dieser See. Kein Lüftchen regte sich, so war die
Wasseroberfläche spiegelglatt. Ich kam durch einige ursprüngliche tibetische Dörfer. Von Chinesen keine Spur. Es gibt hier auch
so eine Art Truck-Stop, wo die Lastwagen-Fahrer Pause machen. Dort gab es für mich Mittagessen. Den beiden tibetischen Grazien
zeigte ich Bilder aus der Heimat und sie waren begeistert.
Mein Ziel für diesen Tag lautete Nangartse. Den erhofften Luxus fand ich leider nicht. Laut Lonely Planet soll es hier viele
Hotels geben, ich fand nur eines. Es war sogar mit "Guesthouse" beschildert. Das Zimmer ist schrecklich, die Fensterscheiben
sind zerbrochen, so pfeifte ständig der Wind durch alle Ritzen und es war an sich eh schon saukalt. Mich hat jetzt leider auch
noch eine Erkältung erwischt. In einem Restaurant kam ich mit einer Chinesin ins Gespräch. Sie ist Lehrerin und für drei Jahre
in dieses Kaff versetzt worden. Die tat mir richtig leid. Aber noch ein Jahr, dann darf sie wieder weg. Sie konnte mir auch
den örtlichen Internet-Laden zeigen, den ich hier erstens niemals vermutet und zweitens auch gar nicht gefunden hätte. Welch
eine Überraschung!
09.10.03 - 4. Etappe: Schneesturm am Karo La
Etappe
Karo La (5025 m)
Kilometer
43 km
Höhenmeter
550 m
Uff! Schon wieder so ein grausamer Tag. Mich plagte zwar eine Erkältung, das Wetter sah auch nicht gut aus, aber in Nangartse
wollte ich nicht unbedingt bleiben. Die Nacht war schrecklich. Irgendwann kam ein chinesisches Päarchen ins Nebenzimmer.
Dazu mußten sie blöderweise durch mein Zimmer. Die hatten eine Spieluhr dabei, die die ganze Zeit lief. Ständig die
gleiche Melodie. Irgendwann drangen dann auch noch andere Geräusche durch die Bretterwand, als die beiden intim wurden.
Der Weg zum Paß zog sich mal wieder endlos in die Länge. Es geht mitten durch ein Gebirge und am Paß steht schließlich
rechts der Nojin Kangtsang mit 7190 m und links der Jetsung Chusang mit 6235 m. Bei schönem Wetter muß das hier absolut
umwerfend sein. Bei mir zog es sich aber immer mehr zu. Dazu kam plötzlich ein starker Gegenwind auf und es fing an zu hageln.
Radfahren in der Höhe bei diesen Bedingungen kann man einfach nur noch als Folter bezeichnen! Gesehen habe ich absolut gar nix.
Zumindest nach dem höchsten Punkt noch ein paar Gletscherzungen. Dort konnte ich auch mit einer Deutschen quatschen, der per
Jeep auf dem Weg nach Kathmandu war.
Auch abwärts blieb es beim Gegenwind. Irgendwann so auf 4600 m hatte ich genug und baute mein Zelt neben einen Bach auf.
Dauerte nicht lange, schon umringten einige Tibeter das Zelt. Keine Ahnung wo die in dieser Ödnis so schnell hergekommen sind.
Mein Benzinkocher faszinierte sie besonders, Tee wollten sie nicht. Mit meinen Buchfundus konnte ich sie dann aber doch ganz gut
beschäftigen. Erstaunlicherweise waren sie äußerst fotoscheu und gingen gleich in Deckung, so bald ich die Kamera zückte. Einen
konnte ich aber doch überraschen.
Diese Etappe hat auf alle Fälle Spuren hinterlassen, mein Hals schmerzt wie Hölle ...
10.10.03 - 5. Etappe: Gyantse
Etappe
Gyantse
Kilometer
63 km
Höhenmeter
300 m
Heute ging es eigentlich schon prinzipiell immer bergab, dazwischen waren aber viele kleine Gegenanstiege. Da tut man sich
schon schwer, einen Rhythmus zu finden und das ganze schlauchte wieder ziemlich. Landschaftlich dagegen war die Fahrt
wunderschön, besonders als sich das schlechte Wetter von gestern verzogen hatte und die Sonne wieder rauskam. Es ging durch ein
tief eingeschnittenes Tal, vorbei an vielen tibetischen Dörfern. Die Szenerie mit diesen unglaublichen Farben gaben dem
ganzen etwas Surreales. Der Fluß (Namru Chu), an dem ich entlang fuhr, endete in einem Stausee. Hier galt es einen kleinen
Paß zu überwinden, den Simi La (4275 m), der aber mit seinen ca. 200 m Höhenunterschied angenehm zu radeln war. Belohnt wurde ich dieses Mal
mit einer herrlichen Aussicht auf den türkisblauen Stausee. Mittendrin lag eine kleine Insel, mit der Ruine einer Burg.
Märchenland Tibet!
Danach öffnete sich die Landschaft und die Straße wandelte sich zu einer fürchterlichen Waschbrettpiste. Die letzten
10 km bis Gyantse konnte ich das Fahrrad jedoch dann rollen lassen. Ich stieg im Wutse-Hotel ab. Mit 180 Yuan schweineteuer,
aber die heiße Dusche rechtfertigt das Geld allemal!