13.03. - 25.03.13, solo
Der Sarek, die letzte Wildnis Europas. Das ist ja schon mal ein starker Titel und tatsächlich seit ich damals
bei meiner Kungsleden-Tour auf dem Skierffe stand und von oben auf das Rapadalen blickte, wollte ich da unbedingt
nochmal hin. Das es dann eine Wintertour werden würde, hätte ich mir damals im Jahr 2000 aber sicher nicht
vorstellen können.
Der Plan war, ins Zentrum des Nationalparks zu laufen und dort den einen oder anderen hohen Berg zu machen.
Daraus wurde nichts, die Lawinenlage war äußerst angespannt, wie sich durch einen Unfall einer anderen Gruppe
später leider bestätigte. Es wurde also eine reine Durchquerung, gewürzt mit ein paar kleineren Hügeln.
Die Bedingungen waren garstig, es war kalt, es war windig. Sehr windig und immer in die Fresse. Vom Aufwand für
Planung und Durchführung, von den klimatischen Verhältnissen hatte das Ganze für mich durchaus Expeditions-
Charakter, da darf man sich von der relativ einfachen Anreise nicht täuschen lassen.
Zusammenfassend kann man sagen, schön dass es sowas wie den Sarek-Nationalpark in Europa noch gibt. Einigermassen
intakte Wildnis und die nächsten Annehmlichkeiten der Zivilisation mindestens zwei Tagesmärsche entfernt.
Arktis pur!
Meine Route
Ich bin in Ritsem gestartet, Endpunkt der Tour war Saltoluokta. Von Ritsem ging es über Akkajaure zur Akkastugorna.
Nun an der Akka südlich vorbei und Richtung Niják. Den weiteren Weg gab das Ruothesvágge klar vor bis zur
Mikkastugan. Östlich davon bog ich in ein Seitental mit dem See Bierikjávre ab. Es folgte eine Überquerung eines
kleinen Gebirgszuges mit dem Vuovres. Über den Pietsaure ging es schließlich nach Saltoluokta.
Wieviele Kilometer das waren, keine Ahnung. Ich war 8 Tage unterwegs. Mit ein bischen Ehrgeiz schafft man die
Strecke sicherlich auch in 5 Tagen. Da ich eigentlich vor Ort war, um Berge zu machen, ein paar Hügel gelangen
mir auch, war mir die Strecke eigentlich gar nicht so wichtig. Es ist trotzdem eine ganz ordentliche Durchquerung
daraus geworden:
Im Folgenden meine Route, mit ungefährer Zeitangabe. Ich hatte einen "SPOT-Messenger" dabei (Erklärung weiter unten bei Ausrüstung). Damit
habe ich ein paar Positionsangaben versendet (Link zu Google Map, Messung meist abends im Lager):
15.03.
Etappe: Ritsem - Akkastugorna, 3h Nachmittags: Gipfel Pålnotjåkkå, 3h hin und zurück
Hier eine Garmin-GPX-Datei mit von mir gemessenen GPS-Wegpunkten entlang meiner Route (kann man z.B. in
Google-Earth direkt öffnen und anzeigen lassen). Rechte Maustaste und "Ziel speichern unter": sarek_wegpunkte.gpx
Literatur:
Deutschsprachig gibt es v.a. viele Wanderführer. Ski- oder gar Bergführer, Fehlanzeige. Vor kurzem kam dann der
"Sarek vinterguide" heraus, leider bis jetzt nur auf Schwedisch.
Claes Grundsten: "Sarek - Trekking in Schweden", Reise-Know-How Verlag, 1. Auflage 2011
Erstklassiger Wanderführer, der das ganze Gebiet samt einiger Gipfel abdeckt. Zum Thema Wintertouren findet man
aber in dem Büchlein gar nix.
J. Karlberg, P. Lämås, J. Larsson: "Sarek vinterguide", Calazo Förlag, Stockholm 2010
Weit und breit der einzige Führer, der sich mit Wintertouren im Sarek beschäftigt. Ziemlich konkurenzlos also,
zum Glück sehr gut gemacht. Sowohl Durchquerungen, Skitouren, als auch schwierige Winterbergtouren werden
beschrieben. Leider bis jetzt (2013) nur auf schwedisch erhältlich, es scheint jedoch eine englische Ausgabe
geplant zu sein.
Karte:
Für das Gebiet welches ich durchquert habe, reicht folgende Karte vollkommen aus:
Fjällkartan BD10 "Sareks nationalpark", 1:100000
Klima, Lawinen:
Ich war Mitte März unterwegs. Da man sich dann ungefähr zur Tag-Nacht-Gleiche im Sarek aufhält, gibt es auch
nördlich des Polarkreises zu dieser Zeit genügend Tageslicht. Eigentlich auch bereits mehr als in unseren
Breiten, da sich die Dämmerung schon ziemlich in die Länge zieht.
Von den Temperaturen hatte ich tagsüber meist mit -10° bis -20° zu kämpfen. Nachts entsprechend weniger. Verbrieft
sind -29°C gleich am Anfang, allerdings schlief ich da noch gemütlich in der Akkastugorna.
Hauptproblem war bei mir der ständige stürmische Wind, meist aus Ost. Dadurch war das Wetter zwar nicht allzu
schlecht, aber dank Wind halt auch sehr fordernd. Da es die Wochen vorher auch schon viel gewindet hatte, war
der Schnee ziemlich verblasen, die Schneedecke also eher dünn.
Der Sarek ist alpines Gebiet. Dementsprechend gestaltet sich auch die Lawinenlage. Solange man in der Mitte
der Täler bleibt, hat man damit nicht viel zu tun. Schwieriger wird es, wenn man Berge machen will, dann
braucht man ein gutes Maß an Erfahrung, um die Lage sicher einschätzen zu können. Eine Lawinenvorhersage wie
in den Alpen gibt es nicht. Wie bereits geschildert, hatte es zu dem Zeitpunkt und davor, da ich in der Gegend
war, ständig sehr viel Wind. Die Lawinenlage war sehr angespannt, überall Triebschnee und man konnte die
Schneebretter förmlich in den Flanken kleben sehen. Ich war deswegen bzgl. Bergbesteigungen sehr vorsichtig und
ging nur flache Hänge. Leider hat sich meine Einschätzung bestättigt, da es in der Zeit da ich dort war, einen
Lawinentoten gab.
Für eine Durchquerung ist der Zeitraum Mitte März sicherlich tauglich. Davor ist es eher noch zu kalt. Später
im April wird der Schnee zu weich und es kann schon regnen, wie mir die Locals erzählten. Für winterliche
Bergbesteigungen im Sarek würde ich das nächste Mal dennoch eher später, also Anfang April anrücken, dann ist
es nicht mehr so kalt und der Schnee schon etwas gesetzter. Man hat also nicht mehr mit hochwinterlichen
Bedingungen zu kämpfen und es sollte auch in den Tälern noch genügend Schnee liegen, um gut voranzukommen.
Wichtig ist auch, dass die Seen und Bäche noch alle gut zugefroren sind.
Anreise:
Um nach Gällivare zu kommen gibt es verschiedene Möglichkeiten. Z.B. auch mit Flug von Stockholm aus. Dann
natürlich diverse Nachtzüge. Sehr zu empfehlen, da wirklich günstig und komfortabel. Mit dem Zug braucht man
so ca. 15h von Stockholm. Von Gällivare fährt schließlich vom Bahnhof weg einmal täglich ein Bus nach Ritsem,
der nochmal 3h benötigt. Dieser hält an diversen Einstiegspunkten entlang der Straße (Kebnats -> Saltoluokta,
Stora Sjöfallet, Suorva). Zurück zu dann das gleiche.
Andere Möglichkeit wäre, die Tour in Kvikkjokk zu beginnen. Es besteht eine Busverbindung mit Jokkmokk, von wo
man weitere Anschlußmöglichkeiten hat.
Ausrüstung:
Einen Blick in meine Ausrüstungsliste könnt ihr hier
werfen.
Pulka vs. Rucksack:
Ich bin der Meinung, sobald es hügelig wird, hat der Rucksack eindeutige Vorteile. Von daher stellte sich für
mich die Frage für den vorgegebenen Zeitraum gar nicht. Ist man länger unterwegs, wird man um eine Pulka nicht
herum kommen. So lange es flach ist, kann man damit auch deutlich mehr Kilometer am Tag machen. Eine Sache wie
die Überschreitung des Vuovres hätte ich mit Pulka aber gar nicht machen können. Man kann sich übrigens z.B.
in Saltoluokta eine Pulka ausleihen.
Ski:
Bei der Durchquerung der Hardangervidda entschied ich mich noch für den "Fischer E99" mit Schuppen. Dieses Mal
wollte ich auch alpine Sachen machen. Also brauchte ich etwas, welches mir auch beim Abfahren Spaß machen würde.
Ein Zufallsfund am Wertstoffhof half mir da zum Nulltarif weiter, ein alpiner Tourenski gleich mit der
passenden Bindung, der Silvretta 404. Der Vorteil dieser Bindung, sehr robust und man kann jeden steigeisentauglichen
Schuh verwenden. Der Schuh war dementsprechend ein sehr weicher 2-Schnallen-Tourenstiefel von Dynafit.
Bzgl. Ski griff ich die Idee vom Woife auf (siehe hier:
www.woife.org) und bastelte mir entsprechend
Kurzfelle, um in der Ebene gut voranzukommen.
Das Fell ist ca. 70cm lang und unter der Bindung platziert. Vorne wird es durch ein zurechtgebogenes Blech mit
Schraube und Flügelmutter am Ski fixiert (dazu Loch in Ski bohren). Hinten hält das Fell allein durch den Kleber.
In der Ebene und für leichte Steigungen funktionert das System sehr gut, man kommt sehr schnell voran. Bei meiner
Konstruktion stellte sich heraus, dass es kompakten Schnee durch die Löcher, welche beim Biegen der Blechkappe seitlich
entstanden, drückt und damit das Blech vom Ski weggebogen wird. Man müsste also schauen, dass die vordere Kappe das
Fell wirklich ganz umschließt und keine Löcher übrig bleiben, wo es Schnee hineindrücken könnte.
Hinten muss man extrem aufpassen, dass das Fell wirklich sauber am Ski klebt. Sobald sich auch nur eine Ecke abhebt,
rutscht immer mehr Schnee nach und das Fell haftet irgendwann nicht mehr. Man müsste sich also noch was überlegen, wie
man das Fell auch hinten sicher fixiert, ohne zuviel Reibung zu erzeugen.
Notfall / GPS:
Zwecks Orientierung habe ich mir vor der Reise noch ein Garmin GPSMap 62st zugelegt. Bei dieser Version ist für eine
Europa eine Topographische Karte im Maßstab 1:100000 vorinstalliert, die aber für den Sarek völlig unbrauchbar ist.
Mit dem Gerät bin ich super zufrieden. Damit wird Navigation wirklich zum Kinderspiel. Ich habe nur normale Alkali-Batterien
eingelegt und obwohl das Gerät immer aussen am Rucksack hing, gab es nie Probleme wegen Kälte usw. Auch mit Handschuhen ist
das Gerät super zu bedienen.
Vorab hatte ich noch die Fjällkartan für den Sarek eingescannt und via Google Earth positioniert. Das klappte wirklich
hervorragend.
Handy-Empfang gibt es im Sarek in der Regel nicht und das Nottelefon steht im Zentrum des Nationalparks. Um trotzdem für
evtl. Notsituationen etwas in der Reserve zu haben, entschied ich mich, einen "SPOT-Messenger" mitzunehmen. Das
ist im wesentlichen ein GPS-Tracker mit dem man via Satellit vorgefertigte Nachrichten samt aktueller Position verschicken
kann. Eine tolle Idee, dieses Gerät wird wohl bald Standard im Outdoor-Bereich.
Anschaffung samt Buchung der erforderlichen Dienste kommt aber (noch) etwas teuer. Zum Glück kann man das Gerät
auch ausleihen: www.wespot.de
Sonstiges:
Ich hatte mir einen MSR-Kocher "Dragonfly" ausgeliehen. Der funktionierte hervorragend, auch bei Temperaturen
unter -20°C. Geplant hatte ich für mich mit 0.2l Benzin am Tag, die Rechnung passt für Wintertouren denke ich ganz gut.
An den Füßen hatte ich eine dünne Socke, darüber eine VBL-Socke (Dampfsperre) und noch eine dicke Merinowolle-Socke. Die Füße
waren auch
die einzige Stelle an denen ich nicht gefroren habe. Für den Schlafsack hatte ich noch ein VBL-Inlett (also Dampfsperre
für den Schlafsack, damit dieser nicht von innen feucht wird) mit dabei, damit konnte ich mich aber überhaupt nicht
anfreunden, das
Schlafklima war dann, nun ja, eher feucht.
Sehr gut fande ich auch meine "Russenmütze", also so ein Teil bei dem mit langen Lappen auch die Ohren bedeckt sind
und die Skibrille, die ich eigentlich ständig auf hatte.
Die Tour:
13.03.2013:
Für die Anreise hatte ich mich für eine Kombination aus Flug und Zug entschieden. Man könnte zwar von Stockholm
noch nach Gällivare fliegen und wäre dann schon mal ziemlich nah dran am Sarek, aber erstens ist der Zug billiger
und aus "nostalgischen" Gründen wollte ich die Zugfahrt quasi durch ganz Schweden auch mal wieder machen. Nur so
wird man sich der riesigen Dimensionen dieses Landes voll bewußt.
Es klappte alles ohne Probleme. Beim Check-In in München wurde nicht mal mein reichliches Gepäck gewogen, obwohl
ich eigentlich schon gern gewußt hätte, wieviele Kilos ich dabei habe. Beim Anflug auf Stockholm konnte man schon
von oben sehen, dass noch winterliche Temperaturen herrschen. Das Meer war zwischen den Schären vor der Küste
zugefroren. Mein Gepäck kam wohlbehalten an, dann konnte es losgehen. Zwecks Benzin für den Kocher hatte ich vorab eine
Tankstelle unmittelbar am Flughafen ausgemacht. Dort stiefelte ich also als erstes hin. Es hätte auch jede
Menge Brennbares in Flaschen abgefüllt gegeben, aber ich konnte nicht genau entschlüsseln, was da drin war und ob
es der Kocher dann auch verkraftet hätte. Also bediente ich mich an der Zapfsäule. Zwei Liter für neun Tage, das
sollte reichen. Damit waren die wichtigen Tasks für diesen Tag abgehakt. Ich fand dann noch heraus, dass der Zug
von Stockholm auch hier am Flughafen Arlanda hält und ich mir die Fahrt ins Zentrum also sparen konnte. Wobei
"sparen" in dem Zusammenhang nicht richtig ist. Die Bahnhaltestelle am Flughafen ist in Privatbesitz, die
Benützung des Bahnsteigs kostet 75 Kronen extra.
Etwas Gepäck blieb nun schon mal in einem Schließfach am Flughafen zurück. Allerdings ist der Spaß nicht ganz
günstig. Es gibt im Übrigen auch Schließfächer, die groß genug für Skier sind. Damit war mein Rucksack nun fertig
gepackt. Neun Tage Selbstversorgung mit Zelt im Winter ist definitiv die Grenze, was mein Rucksack und Rücken
hergibt.
14.03.2013:
Zweiter Tag der Anreise bis nach Ritsem. Mit den Zugverbindungen klappte alles super. Die Anschlüße passten alle
perfekt. Schier endlos ging es durch die schwedischen Wälder, alle halbe Stunde mal ein paar Häuser. Gällivare ist
richtig groß, hatte ich so gar nicht mehr in Erinnerung. Von hier war dann noch die letzte Etappe mit drei Stunden
Busfahrt nach Ritsem angesagt. Da der Taxameter nicht funktionierte, durfte ich kurzerhand umsonst mitfahren.
Die zweite Aufgabe des Buses war aber eh, die Dörfer und Hütten am Wegesrand mit Post und sonstigen Sachen zu
versorgen.
Die Fjällstation Ritsem hatte ich vorab über Internet reserviert. Wäre aber nicht notwendig gewesen. War insofern
eine kleine Enttäuschung, da sich um eine Ansammlung von reinen Selbstversorgerhütten handelt. Ich hatte auf ein
gepflegtes Abendessen gehofft. Es gab aber einen Laden, wo man sich mit dem nötigsten eindecken konnte. U.a. hätte
es hier auch Primus-Power-Fuel in Literflaschen gegeben. Den Marsch zur Tankstelle am Stockholmer Flughafen hätte
ich mir also sparen können.
Gleich neben den Hütten ist ein Campingplatz, der jetzt auch im Winter gut besucht war. Überall waren Leute mit
Motorschlitten unterwegs. Ist wohl ein moderner schwedischer Volkssport mit den Dingern durch die Gegend zu heizen?
Mit dem Bus-Taxi von Gällivare nach Ritsem
15.03.2013:
Der erste Tourentag stand an und das zunächst gleich mal bei gutem Wetter. Es galt zunächst mal den Akkajaure zu
überqueren, einen gigantischen Stausee. Problem hierbei ist, dass auch im Winter Wasser abgelassen wird und die
Eisdecke darum und aufgrund von Strömungen und Zuflüssen in manchen Bereichen nicht ganz stabil ist. So auch
unter den Hütten von Ritsem. Hier ist über den See allerdings eine sichere Route mit Stangen markiert.
Gleich über dem See steht die "Akka", ein sehr schönes Gebirgsmassiv. Ich liebäugelte mit der Besteigung des
Hauptgipfels, den Plan musste ich aber bald beerdigen, wie mir im Laufe des Tages klar wurde.
Morgens startete ich bei entspannten -5°C, auf dem See hatte es dann recht schnell -15°C. Es sind ca. 12km von
Ritsem bis zur Akkastugorna. Die Hütte ist zwar bewartet, aber in erster Linie auch für Selbstversorger gedacht.
Das Wetter war immer noch gut, also blieb ich hier, um den Hügel westlich der Hütte zu besteigen. Den Pålnotjåkkå
mit 1098m. An sich kein Problem, die Hänge sind unter 30° und das Unterholz von der Hütte bis über die Waldgrenze
nicht allzu dicht. In 2h kann man mit Skiern den Berg von der Akkastugorna aus problemlos erklimmen.
Im Wald versank ich noch knietief im Pulverschnee, oberhalb der Waldgrenze war der Schnee stark windverpresst.
Die Abfahrt von daher so lala. Die Sicht von oben ist schon einzigartig, speziell wenn man sonst in den Alpen
unterwegs ist. Am Gipfel war es dank Wind saukalt. Daran sollte ich mich die nächsten Tage noch gewöhnen müssen.
Beim Aufstieg zu diesem Hügel dämmerte mir schon, dass die Lawinenlage in der Gegend aufgrund der großen Windverfrachtungen
vorsichtig formuliert "nicht ganz entspannt" sein konnte. Auch der Hütti meinte, dass es die Wochen zuvor immer
starken Wind gehabt hatte. Der Plan mit der Akka-Besteigung erschien mir unter den Umständen also schon mal als
zu gefährlich.
Ich blieb der einzige Gast auf der Hütte für diesen Tag, zwischendurch schaute noch ein Norweger vorbei, der in
Norwegen von der Bahn aus gestartet war und nun den Padjelanta-Weg bis Ritsem verfolgte.
Das Thermometer an der Hütte zeigte in der Nacht -29°C. Dann lieber schnell noch Holz im Ofen nachlegen ...
Die Akka von Ritsem aus gesehen, davor der Akkajaure
Überquerung des Akkajaure, rechts im Bild der Pålnotjåkkå
Akkastugorna
Akka beim Aufstieg zum Pålnotjåkkå
Vorgipfel Akka im Abendlicht
16.03.2013:
Morgens ging es bei -19°C los. Ich wollte die Abkürzung in den Sarek südlich direkt an der Akka vorbei nehmen.
Erstes Hindernis dabei ist dichtes Weidengestrüpp, dann galt es einen Fluss zu überqueren, von dem ich im
nachhinein noch gelesen habe, dass es einer der größten im ursprünglichen Zustand in Schweden ist. Mit dem
Wissen hätte ich lieber gleich die Brücke gesucht, die auch im Winter steht. So probierte ich es erstmal so und
rutschte prompt in eine vom Wind nur dünn mit Schnee verdeckte Eisspalte. Nicht weiter tragisch, aber für mich
beeindruckend genug um schleunigst die Brücke zu suchen.
Tagsüber wurde es wärmer, bis -5°C und der Wind legte nochmal deutlich zu. Nachdem ich die Akka umschifft hatte,
traf ich auf eine großpolnische Expedition deren Spuren ich bisher gefolgt war. Flaggen und Sponsoren auf der
Jacke, jede Menge Gepäck in der Pulka und verbissen dreinschauende Männer. Ich redete nur kurz mit ihnen. Was sie
vorhatten, damit wollten sie nicht so recht rausrücken.
Als ich zuvor deren Spuren bergauf mit Pulka gesehen hatte, war ich doch um meinen wenn auch noch so schweren
Rucksack froh. Wo ich einfach gerade bergauf konnte, mussten die Jungs mit Pulka sich mit aller Kraft gegen den
Berg stemmen, um die Pulka hochzubekommen. Dementsprechend zerwühlt waren die Hänge.
Ich ging noch ein paar Kilometer weiter Richtung Ruohtesvágge. Mittlerweile war es regelrecht stürmisch und ich hatte
Mühe, einen einigermassen windstillen Platz für das Zelt zu finden.
17.03.2013:
Die Schneemulde in der mein Zelt schließlich stand, bot zwar etwas Schutz, dennoch war die Nacht sehr stürmisch.
Im Tagesverlauf wurde das noch schlimmer und immer aus Ost, d.h. Gegenwind für mich. An sich eine tolle Szenerie,
wie der Schnee durch den Wind über den Boden gefegt wurde. Als ob man permanent durch einen Schneefluss laufen
würde. Das Vorankomen wurde aber zunehmend mühsamer. Es ging nur bergauf. Schließlich erreicht ich unter dem
Berg Niják, am Beginn des Ruohtesvágge eine Rentierzüchterhütte. Auf die hatte ich gehofft. Kann man sich wie eine
Biwakschachtel vorstellen. In der zog ich mich zurück, während draußen der Sturm immer heftiger wurde. Die Hütte
war schon geräumig, aber auch saukalt. Ein Zelt kann man allein durch seine Körperwärme sicherlich stärker
"aufheizen".
Meine Rettung im Sturm, eine Rentierzüchterhütte
18.03.2013:
Auch die nächste Nacht verbrachte ich unverhofft in einer festen Behausung. Durch das Ruohtesvágge hatte ich bereits das
Zentrum des Sarek-Nationalparks erreicht. Morgens war das Wetter an sich schön, aber wieder sehr windig. Die
Windgangeln im Tal erreichten eine beachtliche Größe und erschwerten das Vorankommen. Im Laufe des Tages zeigte
sich, dass so etwas wie ein Fönlage herrschte. Die Berge weiter im Süden hielten das Gröbste ab, dafür war der
Wind umso stärker.
Das Ruohtesvágge ist breit und flach. Ringsum stehen beindruckende Berge. Über Skarja im "Herzen des Sarek" steht ein
Nottelefon. Zu meiner Überraschung war dasselbige mit einem gemütlichen Warteraum versehen. Kurzerhand beschloss
ich, hier zu nächtigen. Mein grober Schlachtplan sah eigentlich so aus, dass ich hier nun ein paar Tage bleiben
wollte, um Berge zu machen. Meine Bedenken wegen Lawinengefahr waren nicht weniger geworden, aber zumindest
einen Hügel wollte ich doch angehen, um die allgemeine Lage besser checken zu können.
Besseres Wetter, aber immer noch sehr windig
Eindrucksvolles Schauspiel, ein feiner Schneenebel über dem Boden: Windverfrachtung
Da schaut er ein wenig verkniffen. Der blöde Wind kaum auch immer von vorn ...
Oberes Ruohtesvágge
Da drinnen ist das Nottelefon
Hinter der Hütte konnte ich windgeschützt für ein paar Minuten die Abendsonne genießen
Die größte Errungenschaft der Zivilisation: ein stilles Örtchen mit vier Wänden drumrum!
19.03.2013:
Auch dieser Tag brachte wieder die Kombination etwas Sonne und viel Wind. Morgens war es jedoch noch vergleichsweise
ruhig. Also konnte ich meinen Testhügel, dem ich in Form des Máhtuoalgge fand, angehen.
Man geht dabei weiter östlich in ein Seitental des Mihkájiegna. Die Hänge sind hier flach, so dass keine größere Lawinengefahr
besteht, so fern man eine vernünftige Spur wählt. An den steileren Hängen sah ich die Schneebretter förmlich kleben.
Der Máhtuoalgge stellte aber dennoch abgesehen vom allgegenwärtigen Wind keine Probleme dar. Ein guter Aussichtspunkt,
um sich über die nähere Umgebung mit u.a. dem Sarekjåhkkå, den zweithöchsten Berg Schwedens, einen Überblick zu verschaffen.
Für mich beschloss ich nun endgültig, die höheren Berge aufgrund Lawinengefahr in Frieden zu lassen und mich auf die
reine Durchquerung des Sareks zu konzentrieren.
Zurück am Nottelefon war ich gerade am Packen, als noch zwei Norweger ankamen, die genauso fertig aussahen, wie
ich mich fühlte. Auch ihnen machte der ständige Wind ordentlich zu schaffen. Insofern beruhigend.
Nachmittags machte ich also noch ein paar Kilometer bis zur Pielastugan, eine weitere Rentierzüchter-Hütte, die
aber dieses Mal verschlossen war. Im Windschatten der Hütte schaffte ich es, das Zelt aufzustellen. Von hier
wollte ich durch das Bierikjávrre eine eher unübliche Route nach Saltoluokta nehmen.
Die Nacht tobte dann ein Sturm, Wahnsinn! Mein Schlafsack war nicht mehr im besten Zustand. Da schon älter, war
die äußere Beschichtung nicht mehr ganz in Ordnung, was zur Folge hatte, dass von außen Kondenswasser eindrang
und die äußere Hülle des Schlafsacks somit gefror. Tagsüber quälte mich der Wind, nachts konnte ich mich auch
nicht richtig erholen. Es war ein Kampf.
Das untere Ruohtesvágge.
Aussicht vom Máhtuoalgge
In der Bildmitte ganz hinten, der Sarekjåhkkå. Zweithöchster Berg von Schweden. Normalweg Westgrat von links.
Beim Abstieg vom Máhtuoalgge sieht man die Lage des Nottelefons in einsamen Weiten
Pielastugan, eine weitere Rentierzüchter-Hütte voraus. Mein weiterer Weg führte mich den nächsten Tag in das Tal links
Die Hütte war verschlossen. So verbrachte ich eine sehr stürmische Nacht im Zelt, trotz Windschutz durch Hütte.
20.03.2013:
Weiter des Weges. Morgens noch stark bewölkt, wurde es im Laufe des Tages immer schöner. Abends saß ich dann bei
Windstille und +5°C auf einem Felsblock und konnte zum ersten und einzigen Mal den Sarek in seiner Schönheit
rundum genießen. Zudem hatte ich einen herrlichen Platz zum Zelten gefunden. Der Lohn war wirklich hart erkämpft.
Abends schoß dann sehr niedrig ein Hubschrauber durch das Tal. Da es über den Sarek eigentlich eine Flugverbotszone
gibt, konnte ich mir schon denken, was da los war. Unweigerlich musste ich an die Polen denken.
Endlich mal schönes und windstilles Wetter
Die Nordost-Seite des Sarek-Massiv
Was so ein bischen Sonne alles ausmacht, der schönste Abend
Beim Bouldern war ich auch
21.03.2013:
Das schöne und v.a. ruhige Wetter schien noch für ein paar Stunden zu halten. Ich hatte mir eine kleine Überquerung
über den Vuovres auf der Karte ausgeguckt, die ich nun angehen konnte. Die Hänge hinauf waren nicht sehr steil,
dafür zog sich der Weg bergauf in die Länge. Mit dem großen Gepäck auf dem Rücken merkte ich jeden Höhenmeter.
Als ich schließlich auf dem Vuovres mit 1328m stand, hatte sich das Wetter schon wieder zugezogen und der Wind
tobte sich wieder in bereits gewohnter Gewalt aus. Den Weg runter Richtung Pietsaure fand ich nur mit GPS. Die
Abfahrt war mit vielen Windgangeln und Blankeisplatten mehr als schwierig. Dementsprechend lag ich ein paar Mal
auf dem Hosenboden, bevor ich den Pietsaure erreichte. Dies ist ein langgestreckter See. Mein Zelt stand am Ufer
in einem Birkenwäldchen. Schon erstaunlich, zwischen den Bäumchen herrschte ein kleines Mirkoklima, es war um
einiges angenehmer als im freien Gelände rundherum.
Beim Aufstieg zum Vuovres
Schneebar
22.03.2013:
Letzte Etappe über den Pietsaure nach Saltoluokkta. Die Nacht war wieder mal sehr kalt gewesen. Mein Schlafsack
taugte echt nix mehr. Über den See kam ich gut voran und erreichte bald wieder markiertes Gelände. Die
Motorschlitten-Cowboys rückten aus, um auf dem See eisangeln zu können. Den Markierungsstangen nachzulaufen
wurde mir bald zu langweilig. Ich schlug einen direkten Weg nach Saltoluokkta ein. Der Weg hinunter wieder zum
Ufer des Akkajaure war spannend. Ungewohnt steil für skandinavische Verhältnisse und dazu auch noch guter Schnee.
So erreichte ich bald Saltoluokkta, eine in ganz Schweden berühmte Fjällstation. Der Luxus hatte mich wieder. Die
Lage ist sehr idyllisch. Saltoluokkta ist im Sommer nur mit Boot oder zu Fuß zu erreichen. Im Winter werden die Boote
durch Motorschlitten ersetzt und deren Lärm stört doch gewaltig. In der Hütte gibt es alles, was das Herz begehrt,
z.B. Sauna und abends ein 3-Gänge-Menü.
Hier traf ich auch die beiden Norweger vom Nottelefon wieder und die bestättigten mir, was ich schon ahnte. Die
Polen hatten eine Lawine ausgelöst und einer kam dabei um. Deswegen also der Hubschrauber.
Der zugefrorene Pietsaure
Die Nationalparkgrenze
Die Kreuze markieren die Motorscooter-Autobahn
Zurück am Akkajaure
Saltoluokta
23.03.2013:
Ein freier Tag also. Eine schwedische Naturführerin hatte mir dafür ein Plätzchen östlich von Saltoluokkta empfohlen.
Windgeschützt und sonnig meinte sie. Also nix wie hin. War in der Tat sehr schön. Ich sah einen Polarfuchs, Schneehühner
und die Spuren eines Vielfraßes. Die Berge lockten dann doch wieder, weswegen ich mir einen Weg auf den Buollamtjåkko
suchte. Von dort oben hat man einen wunderschönen Blick über einen Großteil des zugefrorenen Akkajaure und eine
Freeride-Abfahrt über unberührte Pulverhänge war inklusive.
Zuerst ging es auf den zugefrorenen Akkajaure ...
... dann in einen Wald ...
... und schließlich auf einen wunderbaren Aussichtshügel.
24./25.03.2013:
Das war es dann auch schon wieder. Von Saltoluokkta ging es mit Motorschlitten über den See zurück zur Straße bei
Kebnats. Der Bus-Taxameter funktionierte immer noch nicht. Im beheizten Bahn-Wartehäuschen verbrachte ich ein paar
Stunden mit der Alkoholiker-Gesellschaft von Gällivare, die sich mit billigem Vodka ins Koma soffen. Per Nachtzug
ging es zurück nach Stockholm.
Fazit:
Anstrengend war es. In Sachen Kälte und Winter das Härteste, was ich bisher so unternommen habe. Nächstes Mal müßte
ich dringend in einen sehr guten Schlafsack investieren. Wenn man sich weder Tag noch Nacht erholen kann, geht die
Rechnung nicht mehr auf, das ist mir klar geworden. Der Sarek ist nicht umsonst niemals richtig besiedelt worden,
dafür sorgt das rauhe Klima. Man muss es halt einmal gemacht haben, da im Winter durchlaufen. In der Gesamtheit ein
einzigartiges Erlebnis in arktischer Wildnis, wie man es so einfach nur in der Ecke bekommt. Das eine Mal ist dann aber auch
genug.
Nächstes Mal komme ich im Herbst, ich habe Fotos gesehen, hohe Berge über bunten Wäldern ... nach der Reise ist vor
der Reise.
Die Berge:
Pålnotjåkkå, 1098m
Leichte Skitour, Hangrichtung Ost, ca. 600Hm, 2-3h
Der Berg steht direkt über der Akkastugorna. Die Hänge sind beim Anmarsch zur Hütte und von dieser sehr gut einzusehen und
stellen, da nur partiell steiler als 30°, auch kein Problem dar. Man muss sich von der Hütte weg nur zuerst einen Weg durch
das dichte Unterholz suchen, bevor man freies Gelände erreicht. Man hält sich die ganze Zeit Richtung Westen zu dem mit einem
Steinmann markierten höchsten Punkt.
Máhtuoalgge, 1284m
Leichte Skitour, Hangrichtung meist Süd, ca. 500Hm vom Nottelefon, 2-3h
Leicht ist die Skitour nur, wenn man in der Lage ist, die unkritischste Aufstiegsspur zu erkennen und dieser zu folgen. Der
Hügel ist ein hervorragender Aussichtspunkt, um sich mit der näheren Umgebung um den Sarekjåhkkå herum vertraut zu machen und
evtl. die Bedingungen für höhere Ziele besser einschätzen zu können.
Von der Hütte mit dem Nottelefon steuert man in den Taleinschnitt östlich vom Mihkájiegna. In diesem Einschnitt (Karte:
Máhtujågasj) hält man
sich in der Mitte und erreicht so eine Steilstufe, die man am besten eher links im Tal (westlich) überwindet. Darüber steuert
man sofort in Richtung der Abbruchkannte zum Mihkájiegna (westlich) und steigt entlang des Gratrückens zum mit Steinmann
markierten Máhtuoalgge, einer kleinen Erhebung im Gratverlauf.
Vuovres, 1328m
Leichte Skitour, Hangrichtung bei Überquerung Süd-Nord, ca. 500Hm von Süden, 700 von Norden, Überquerung 4-5h
Zwischen Pietsaure und Sitojaure ist ein Gebirgsstock eingelagert. Der zweithöchste Punkt ist dabei der Vuovres, der wohl von
Saltulokta mit Schneemobil-Unterstützung öfters mal als Tagestour gemacht wird. Aufgrund der sehr flachen Hänge bietet es sich
an, diesen Berg in Rahmen einer Durchquerung miteinzubauen, wenn man eh in der Ecke ist.
Buollamtjåkko, 777m
Leichte Skitour, Hangrichtung West-Nord, 400Hm, 3h
Quasi der Hausgipfel von Saltoluokta, dementsprechend auch mehrere Möglichkeiten um den Hügel zu besteigen. Z.B. kann man
zunächst
den Kungsleden nach Süden verfolgen und dann bei geeigneter Stelle nach Osten zu queren.
Oder so wie ich, auf Empfehlung einer Einheimischen, zunächst auf dem See 3-4km flussabwärts sozusagen, dann durch sehr schönen
lichten Wald ansteigen. Die felsigen Hänge im Gipfelbereich westlich umgehen und dann über mehrere Senken zum höchsten
Punkt.
Von diesem Punkt wären mehrere Überschreitungsmöglichkeiten im Rahmen einer Tagestour denkbar. Z.B. nach Osten hinab und dann
auf dem See zurück nach Saltoluokta.
Alle Texte und Bilder so nicht anders vermerkt von Stephan Rankl.
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