Ins Val Masino, der Südseite des Bergell kommt man am besten über St. Moritz und
Maloja-Pass. Auf dem Weg Richtung Sondrio zweigt dann die Straße hoch ins Val Masino ab. Von Filorera
geht östlich eine kleine Straße in ein Seitental ab. Zur Zeit (2006) wird diese nach einem Bergsturz
saniert. Man muss auf eine abenteuerliche Schotterstraße ausweichen. Wer sein Auto nicht schinden möchte,
sollte dann lieber ein Taxi nehmen. Es geht ewig hoch, bis man auf der Preda Rossa Alm parken kann.
Stützpunkt:
Rifugio Cesare Ponti (2559m)
Tel.: I - (0)342/640138
Zustieg: Von Pedra Rossa auf markierten Weg in gut zwei Stunden bis zur Hütte.
(Tipp: Die Hütte liegt am Sentiero Roma, diverse Überschreitungsmöglichkeiten sind
denkbar)
Bivacco Rauxi: direkt unter dem Hauptgipfel des Monte Disgrazia. Gut mit Decken ausgestattet.
Route:
Monte Disgrazia Überschreitung Corna Rossa - Nordwestgrat
1. Etappe: Rifugio Desio
Man folgt dem gut markierten Weg Richtung Disgrazia und Rifugio Bosio. Man steigt auf eine markante
Seitenmoräne. Hier geht der Normalweg zum Disgrazia weiter bergauf, während man Richtung Rifugio
Desio (Passo di Corna Rossa) sofort wieder östlich absteigt und den Markierung zuletzt sehr steil
(Drahtseilsicherungen) in die Scharte folgt. Hier steht das einsturzgefährdete Rifugio Desio. Zeit: 1.5h.
2. Etappe: Cima di Corna Rossa (3180m)
Man folgt nun dem vor einem liegenden Grat bis zur Cima di Corna Rossa und bleibt dabei meist auf der
östlichen Seite. Gehgelänge, Zeit ca. 1h.
3. Etappe: Östlicher Vorgipfel
Die Schwierigkeiten beginnen. Aufgrund der Länge des Grates fällt es schwer eine detaillierte Beschreibung
zu geben. Man sollte versuchen, möglichst immer die vielen Gratzacken auf Bändern zu umgehen (meist östlich).
Viel Gehgelände, einige Abseilstellen. Man gewinnt lange kaum an Höhe. Maximal bis zum dritten Schwierigkeitsgrad, auch viel IIer-Gelände.
Kurz vor der Gipfelwand wird der Grat messerscharf, hier ist Hangeln erforderlich. Immer gute Sicherungsmöglichkeiten.
Liegt oben Schnee, umgeht man vorteilhaft die Kletterstellen am Grat durch bis zu 35° steile Firncouloirs.
An der Gipfelwand hält man in einem Firncouloir zunächst direkt auf den Vorgipfel zu. Danach nach rechts
ausweichen und über plattigen Fels zum Vorgipfel. Zeit: wir benötigten 10h.
4. Etappe: Überschreitung Gipfelgrat
Gipfel und die Biwakschachtel darunter sind nun in Sicht. Dazwischen aber noch zwei tiefe Scharten. In die muss man
bei schlechten Bedingungen abseilen (25m reichen). Der Mittelgipfel ist noch relativ einfach erkletterbar, aus der
nächsten Scharte jedoch ziemlich schwierig empor (ich denke mindestens IV-). Danach wird das Gelände einfacher und man
erreicht die Biwakschachtel und gleich darüber den Gipfel. Zeit: 1-3h. Sehr von den Bedingungen abhängig.
5. Etappe: Nordwestgrat, Abstieg in die Sella di Pioda
Dies der Normalweg, welcher bei Firn um einiges einfacher zu begehen und dann auch viel schöner ist. Kurz nach dem
Hauptgipfel die Schlüsselstelle, das "Bronzepferd" (III). Ein kleiner Boulderblock, kann einem nach dem was bereits
überstanden ist, nicht mehr schocken. Die Firnfelder sind zum Teil bis 40° steil. Ausweichen in Fels ist jedoch
möglich. Der letzte Höcker vor der Sella di Pioda wird nicht mehr erklettert, stattdessen vorher schon nach Süden
durch eine Rinne auf den Gletscher. Zeit: 2h.
6. Etappe: Zurück zum Rifugio Ponti
Am oberen Rand des Gletschers nach rechts queren und im Abstiegssinn immer am rechten Rand bleiben. Viele tiefe
Querspalten! Dort wo das Gelände flacher wird verlässt man den Gletscher. Zuerst doch quälendes Schottergelände,
dann bald wieder auf der Seitenmoräne zur Hütte. Zeit: 1.5h.
Charakter:
Der Corna-Rossa-Grat dürfte sehr selten begangen werden. Wir fühlten uns mangels fehlender Spuren wie
die Erstbesteiger und liesen dementsprechend viel Material beim Einrichten von Abseilstellen. Wetter sollte
sehr gut sein, wenngleich die Orientierung nicht schwer fällt. Unbedingt auf ein Biwak vorbereitet sein.
Die schwierigsten Kletterstellen kommen erst am Gipfelgrat, der zudem oft vereist oder eingeschneit sein
kann. Corna-Rossa Grat maximal III, Gipfelgrat zwei Stellen IV-, Nordwestgrat maximal II. Kombinierte
Hochtour, Steigeisen und Pickel braucht man definitiv.
GPS:
Preda Rossa: N 46.22670°, E 9.69694°
Rifugio Desio: N 46.25037°, E 9.74026°
Cima di Corna Rossa: N 46.25575°. E 9.74651°
Karte:
Landeskarte der Schweiz Nr. 278 "Monte Disgrazia", 1:50000
Führer:
E. Schmitt, W. Pusch "Hochtouren Ostalpen", Bergverlag Rother
Paul Nigg "AV-Führer Bergell", Bergverlag Rother, 7. Auflage 2004 (Achtung: wenig
detailliert, schlecht recherchiert!)
Link:
-
Titel: Worst Case Studie Bergspezln: Betty
Der Monte Disgrazia ist der höchste im Bergell, steht zudem sehr frei und ist auch schön anzusehen. Statt dem sonst so
soliden Granit im Bergell überwiegt hier allerdings roter Serpentinfels, weswegen der Disgrazia bei Nähe betrachtet ein
einzig großer Schotterhaufen ist.
Wir hatten uns den Corna-Rossa-Grat für den Aufstieg ausgesucht, ein ewig langer Grat parallel zum Preda-Rossa-Gletscher,
der direkt zum östlichen Vorgipfel führt. Im äußerst schwachen Bergell-AV-Führer lapidar mit 4-5 Stunden angegeben.
Wir benötigten geschlagene 14 Stunden bis zum Biwak unter dem Gipfel.
Nachdem man die Corna-Rossa-Scharte mit dem einsturzgefährdeten Refugio Desio erreicht hat, geht es zunächst einfach los.
Der Grat ist hier noch Gehgelände und die ausgesetzten Stellen kann man gut umgehen. Erster Gratzacken wird Cima di Corna
Rossa genannt. Von hier ist man immer noch ein ordentliches Stück vom Ziel entfernt und es beginnen die eigentlichen
Schwierigkeiten. Man hat einiges an auf und ab zu bewältigen. Viele Gratzacken kann man auf Bändern umgehen, aber einige
halt doch nicht. Um mühsames Abklettern im Gebrösel zu vermeiden, richteten wir doch einige Abseilstellen ein. Unser
Bestand an Schlingen, Schnüren und sonstigem schrumpfte zusehends. Teilweise wird der Grat richtig messerscharf, hangeln
oder Reitsitz ist dann gefordert. So klettert man die ersten 7-8 Stunden konstant auf 3100m dahin, ohne dem Berg irgendwie
näher zu kommen.
Langsam machten wir uns doch Sorgen, weil die eigentlichen Höhenmeter fehlten noch. Die vorangegangen
Schlechtwetterperioden hatten ihre Spuren hinterlassen. Die mit Firn gefüllten Rinnen kamen uns jetzt jedoch sehr entgegen,
da sie das Vorankommen doch merklich erleichterten. Noch ein Gratzacken stellte sich uns in den Weg, bevor wir endlich
die Wand zum Vorgipfel angehen konnten. Anfangs über Firncouloirs, dann plattiger Fels. Um 18 Uhr hatten wir ihn dann,
den Vorgipfel. Hauptgipfel in Sicht, dazwischen jedoch noch zwei tiefe Scharten. Der Grat tief eingeschneit und nordseitig
vereist. Bedingungen die uns nicht gerade entgegenkamen. Auch hier mussten wir viel Material an Abseilstellen zurücklassen,
dieser Teil des Gipfelgrates scheint nicht oft begangen zu sein. Der letzte Steilaufschwung, meiner Ansicht nach eher IV
anstelle der im Führer angegebenen II. Um 21 Uhr erreichten wir die Biwakschachtel unter dem Gipfel. Eigentlich wollten
wir die Runde an einem Tag drehen, aber daran war jetzt nicht mehr zu denken. Zum Glück ist das Bivacco Rauxi sehr
komfortabel eingerichtet und dank der Decken mussten wir nicht frieren.
Während der Nacht fing es zu schneien an und das eine oder andere Gewitter zog seine Kreise. Schon beeindruckend, wenn
es aus dem Nichts ohne Vorwarnung irgendwo in der Nähe knallt.
Sieben Uhr morgens, es schneite noch immer. Aber gute Sicht. So wagten wir unseren ersten Ausbruchversuch. Kamen
allerdings nicht weit, die Luft war so aufgeladen, dass der Pickel zu surren anfing. Schon wieder Gewitter! Also
zurück.
7.30 Uhr zweiter Versuch, es donnerte. Wieder in die Schachtel. 8 Uhr, blauer Himmel, nun hielt uns nichts mehr.
Wir folgten dem Normalweg über den Nordwestgrat. Der ist mit Firnauflage eher besser zu begehen also ohne. Von daher
hatten wir nun optimale Voraussetzungen und kamen gut voran. Ein schöner Grat!
Bald schraubte sich aus dem Tal ein Heli gen Berg, er flog den ganzen Grat ab und als er uns entdeckt hatte, schwenkte er
wieder Richtung Tal. 10 Minuten später kreisten dann zwei Hubschrauber um uns rum, der eine mit offener Türe und
bergungsbereiter Mannschaft. Der Hütti vom Rifugio Ponti hatte also Alarm geschlagen und man hatte nach uns gesucht.
Wir machten ihnen klar, dass wir noch gut beinander waren und gedachten, den Abstieg selber zu bewältigen.
Schon eindrucksvoll, wenn 20 Meter neben dir in der Luft so ein Vogel hängt. Die Piloten genossen das Schauspiel ebenso
und waren glaub ich schon erleichtert, dass es nicht zum Ernstfall kam. So winkten wir uns noch ein paar Mal zu und
setzten unseren Abstieg ohne weitere Probleme fort. Der ausgeaperte Gletscher war noch mal lästig, aber um 12 Uhr standen
wir doch wieder vor der Hütte, wo alle doch sichtlich erleichtert waren. Sogar zwei Bergführer hatte man uns auch noch
entgegengeschickt.
Mal schauen, ob da noch eine Rechnung von der Bergrettung kommt ... (Nachtrag, sie kam nicht).
GPS-Koordinaten eigene Messung - Angaben ohne Gewähr (Datum: WGS 84 Positionsformat: Dezimal)
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