Von Norden her eine einsame Tour mit langen Tälern. Über den Ostgrat bietet der Berg etwas Schrofenkletterei und ist völlig ohne Gletscherkontakt machbar.
Fakten
Ausgangspunkt:
Obergurgl (1910m)
Hütte:
2.5h, 500 Hm
Route:
Über den Seelenferner, 5h
Abstieg:
Über Rotmoosferner, 7h
Besonderheit:
Wegfindung auf dem Rotmoosferner anspruchsvoll
Das sind keine Messfehler auf dem Rotmoosferner, wir hatten zu tun, um einen geeigneten Weg über die Gletscherschliffplatten zu finden, welche der abschmelzende Gletscher hinterlassen hat.
Ausgangspunkt:
In Obergurgl gibt es mehrere Parkhäuser und man kann auch bei den Seilbahnen parken. Am südlichen Ende, direkt am Eingang zum Gurgler Tal gibt es nur sehr eingeschränkte Parkmöglichkeiten.
Zustieg Langtalereckhütte
Vom südlichen Ende Obergurgls kann man zunächst direkt am Fluß dem beliebten Weg Richtung "Zirbenwald" folgen, steigt dann auf zur Schönwieshütte (2262m) und bleibt auf dem Wirtschaftsweg zur Langtalereckhütte.
Alternativ und direkter kann man auch gleich bei der Talstation der Seilbahn auf die Hohe Mut starten und dort dem Wirtschaftsweg von Anfang an folgen.
Hinterer Seelenkogel über Seelenferner
Gleich hinter der Hütte geht es links das Tal zum Langtalerferner hoch. Man folgt dem Weg Richtung Eiskögele und Langtalerjoch. Zwischendurch geht es etwas hoch zu einer Felsterrasse, den "Vorderen Äckerlen".
Hier splittet sich der Weg, man geht nun auf nahezu gleichbleibender Höhe weiter in das Tal hinein. Der Abzweig zum Hinteren Seelenkogel ist dabei nicht markiert.
Auf dem Weg Richtung Langtalerjoch quert man unter einer markanten Felsspitze entlang (Punkt 3011 auf der AV-Karte). Dahinter erreicht man einem Bach im Moränengelände. Vor oder direkt hinter dem Bach verlässt
man nun den markierten Weg nach links und steigt ein Seitental hoch. Hier gibt es nun keine weiteren Markierungen. Eher links haltend im Tal geht es zu einer Felsmauer, welche zum Mittleren Seelenkogel hochzieht.
Darunter finder sich der mittlere Arm des Seelenferners. Über diesen geht es hoch zu einem Sattel rechts (südlich) des Mittleren Seelenkogels. Der Weg auf dem Gletscher ist klar vorgegeben. Zuletzt geht es
etwas steiler (30°) in den Sattel am Gipfelkamm. Dieser wird nach Süden verfolgt, bis das markante Horn des Hinteren Seelenkogels in Sicht kommt. Auf den allerletzten Metern gilt es leichtes Blockgelände
zu überwinden, bevor man den Gipfel erreicht.
Foto von Etienne: über diese Moräne geht es hoch zum Seelenferner. Oben dann links.
Der mittlere Rest des Seelenferners. Über diesen führt der Aufstieg, gut ist die Spur zu erkennen.
Schlussanstieg zum Hinteren Seelenkogel.
Abstieg über Ostgrat, Rotmoosjoch und Rotmoosferner
Direkt vom Gipfel ist der gesamte, felsige Ostgrat bis zur Zwickauer Hütte (2980m) einsehbar. Auch auf den Übergang zum Rotmoosferner über das gleichnamige Joch hat man einen guten Blick.
Der Ostgrat führt in direkter Linie hinab. Anfangs hat es kaum Markierungen aber eindeutige Steigspuren. Auf gut 400Hm hat es meist Blockgelände, immer wieder warten Steilstufen mit Klettereien im Grat 1-2
(1h bis zur Zwickauer Hütte).
Kurz vor der Hütte kann man links über ein Firnfeld zum gut sichtbaren Rotmoosjoch queren (0.5h). Von Süden her ist das Joch über Schutt recht einfach zu erreichen. Nach Norden hinab wird es schwieriger.
Ganz links gibt es eine steile Geröllrampe, die eine hohe Schneelage erfordert. Weiter oben im Joch wurde ein sehr sportlicher Klettersteig eingerichtet. Gut 20m hangelt man sich senkrecht an Metallbügeln und
Drahtseilen hinab. Darunter folgt ein steiler Schneehang, anfangs mit gut 35°, der aber bald flach ausläuft (1x30m abseilen).
Auf den oberen Teil des Rotmoosferners liegt aufgrund eines Felssturzes vom Scheiberkogel sehr viel Schutt (Schutt is eher beschönigend bei den riesigen Blöcken). Man steigt auf den Resten des Rotmoosferners
zunächst mittig ab. Bald erreicht man einen Steilabbruch, wo viele Gletscherschliffplatten ausgeapert sind. Hier hat man zwei Möglichkeiten. Im Abstiegssinn ganz links gibt es eine durchgehene Schuttrinne bis
hinab zum Talboden, die wahrscheinlich bei viel Schnee zu empfehlen ist.
Der übliche Weg führt eher rechtshaltend um den Steilabbruch herum. Es hat keine Markierungen oder Steinmänner und man muss sich mühsam einen Weg durch Rinnen, Gletscherschliff und Schutt suchen. Zuletzt wird
man auf einer Moräne rechts im Tal einen Steinmann sichten. Ab hier kann man auf markierten Weg zur Bergstation auf der Hohen Mut wandern, oder im Talboden zur Schönwieshütte absteigen. Ab Joch sind das gut
5h, je nachdem, wie lange man eine Route suchen muss. Von der Schönwieshütte ist noch mal 1h bis nach Obergurgl.
Blick vom Gipfel hinab auf den Übergang zum Rotmoosferner.
Blick vom Rotmoosjoch zum Hinteren Seelenkogel. Man sieht links im Profil den gesamten Ostgrat, über den der Abstieg führt.
Der Rotmoosferner und der gesamte Blick das Tal hinaus, mit den zwei Abstiegsmöglichkeiten.
Das Rotmoosjoch von Norden, mit den zwei Abstiegsoptionen.
So ungefähr unsere Route über den Steilabbruch im Mittelteil des ehemaligen Gletschers.
Alternativer Abstieg ganz links (im Abstiegssinn)?.
Charakter
Von Norden her eine einfache Hochtour. Es ist viel Schnee erforderlich. Bei Blankeis ist von der Tour eher abzuraten (speziell auch vom Abstieg über den Rotmoosferner). Der Seelenferner hat nur über der ersten
Steilstufe eine größere Spalte.
Der Abstieg zur Zwickauer Hütte erfolgt wie beschrieben über Blockgelände (Steilstufen, Klettern 1-2) und ist sehr beliebt. Dementsprechend gibt es viele Wegspuren.
Das Rotmoosjoch ist von Süden einfach erreichbar. Der Abstieg nach Norden auf den Rotmoosferner ist nur bei ausreichend Schnee zu empfehlen, ansonsten sehr wahrscheinlich nicht machbar. Ein Klettersteig wurde
für den Übergang angelegt, ca. 20m. Sehr sportlich mit Metallbügeln und Hangeln am Drahtseil. Bei viel Schnee gibt es auch eine Möglichkeit ganz links von oben gesehen, über eine Geröllrampe.
Auf dem Rotmoosferner liegt viel Schutt. Es hat keine Spalten (mehr). Insgesamt hat sich das Eis sehr weit zurückgezogen und wird wohl bald ganz weg sein. Übrig bleibt viel schuttbedeckter Gletscherschliff.
Ohne Ortskenntnisse ist es mühsam, auf Anhieb einen guten Weg zu finden. Am sichersten eher rechtshaltend. Zentral wird das Gelände irgendwann zu steil. Zu weit rechts sollte man nicht gelangen, hier ist
steiles Blankeis zu erwarten.
Aus dem Schattenreich
Für uns beide der Wiedereinstieg in die Hochtourerei. Also sollte es etwas überschaubares werden, zumindest auf dem Papier. Wenn man nur noch die Bayerischen Voralpen gewohnt ist, täuscht man sich gerne aufgrund
der Dimensionen. Die Täler rund um Obergurgl sind schon sehr lang. Wenn dann ein Gletscher auch noch Langtalerferner heißt, hätte man etwas ahnen können.
Der erste Tag brachte uns zur Langtalereckhütte. Die war sehr angenehm, weil hübsche Lage und es war nicht viel los. Die meisten gehen von hier in Richtung Hochwilde, so waren wir am nächsten Tag auch die einzigen,
welche links zum Langtaler Ferner abbogen. Hier hat es dann einen sehr schönen Blick auf die Hochwilde. Zunächst ist der Weg Richtung Langtalerjoch sauber markiert, für den Aufstieg zum Hinteren Seelenkogel
muss man diesen Weg jedoch rechtzeitig nach links oben verlassen. Mit etwas Spürsinn und Karte gelingt das trotz weglosen Gelände ganz gut. Vom Seelenferner verstecken sich nur noch voneinander getrennte
Seitenarme in den Tälern, über den mittleren Gletscherrest führt der Anstieg unproblematisch zum Gipfelkamm. Dieser leitet vom Mittleren hinüber zum Hinteren Seelenkogel, unserem Ziel. Am Schluss hat es noch
etwas Blockwerk, dann standen wir schon oben. Es war herrlich warm und windstill. Wann hat man das schon mal auf fast 3500m?
Von Südtirol ist der Berg als Tagestour machbar, 1800Hm sind es vom Parkplatz. Dementsprechend kamen viele Wanderer in kurzen Hosen und Turnschuhen hoch. Da wirkten wir dagegen etwas deplatziert in voller
Montur und Gletscherausrüstung, fröstelnd mit Nordwandgesichtern den Schatten entstiegen. Wir entschlossen uns nun, den Rückweg über den Rotmoosferner zu versuchen. Dazu mussten wir zunächst den Ostgrat hinab,
bis fast zur Zwickauer Hütte. Das zog sich bei uns schon ein wenig und wollte nie enden. Wie erwähnt, es war für uns beide die erste Hochtour nach langer Zeit. Dementsprechend hätte es zu diesem Zeitpunkt auch
gereicht, aber wir mussten noch nach Obergurgl. Das wurde mühsam, aber aktives Erleben in großartiger Landschaft lässt einem darüber gnädig hinwegsehen. Eine Kernkompetenz jedes Alpinisten ist das Genießen
trotz all der Leiden.
Abschmelzende Gletscher machen die Übergänge immer schwieriger. Zum Rotmoosjoch kommt man von Süden her noch ganz einfach. Nach Norden runter wird es durchaus anspruchsvoll. Wohl noch nicht allzu lange gibt es die
senkrechte Felswand hinunter nun einen Klettersteig. Der ist sehr sportlich und endet oberhalb eines steilen Firn-, bzw. Eishangs. Wir seilten also nochmal 30m ab, um in flacheres Gelände zu kommen. Die Passage
kann dann bei eisigen Verhältnissen wohl ganz schnell sehr schwierig werden. Das gilt auch für den Weg über den Rotmoosferner. Oben bedecken von einem Felssturz riesige Gesteinstrümmer den Gletscher, das ist
dann auch kein Selbstläufer. An einer Steilstufe ist die derzeitige Grenze des Gletschers erreicht. Durch das Abschmelzen kommen die darunter liegenden Gletscherschliffplaten zum Vorschein. Wegspuren konnten
wir nicht entdecken und so mussten wir uns mit vielen Fehlversuchen eine Route von Schneefeld zu Schneefeld zwischen den Granitplatten und -rinnen suchen.
Endlich erreichten wir den Talboden, ein langer abschließender Hatscher das Tal raus nach Obergurgl erwarte es uns. Dort hatten wir das Auto hinter einer Schranke abgestellt. Wir hatten nicht damit gerechnet, erst
so spät wieder zurück zu sein. Die Schranke war nun zu. Was tun? Nun, nach vielen Überlegen mit externer Beratung hatten wir uns eine Strategie überlegt, wie das Hindernis bewältigt werden könnte. Links daran
vorbei sollte es über eine Böschung gehen. Also stand ich an der Schranke, am Skistock baumelte eine Kniebandage, womit ich eine Kamera abdeckte. Material für Youtube wollten wir nicht liefern. Etienne holte derweil
Schwung ... er kam zur Schranke und die öffnete sich einfach wie von Geisterhand. Alle Aufregung umsonst, aber wieder ein nette Anekdote aus dem Bergsteigerleben, welches sich ja zu nicht unerheblich Teilen im Auto abspielt.
Stephan, unterwegs am 11. und 12. August 2021 mit Etienne
Auf dem Weg zur Langtalereckhütte. Hinter uns wäre nun die Schönwieshütte. Vor uns das Rotmoostal, dieses sollten wir am nächsten wieder rauskommen, nach wir unsere Runde über den Hinteren Seelenkogel
gedreht hatten.
Da unten die Langtalereckhütte.
Am nächsten Morgen, vor uns der Langtalerferner, darüber die Hochwilde.
Foto von Etienne: Beim Zustieg zum Hinteren Seelenkogel sollte man sich doch öfters mal die Zeit nehmen, um (digital) die Karte zu studieren. Sonst verpasst man noch die weglose Abzweigung.
Schon noch groß, der Langtalerferner.
Der mittlere Überrest des Seelenferners, über den der Aufstieg führt.
Blick zurück zur Hochwilde und den Langtalerferner.
Die Spur über den Seelenferner ist gut zu erkennen.
Am Gipfelkamm angekommen, hinten der Mittlere Seelenkogel.
Harmloses Gewölk.
Bald da.
Da kommt Etienne, gut eingepackt, begrüßt von einer Sommerfrischlerin.
Die ersten Meter Abstieg vom Gipfel.
Foto von Etienne: So geht es doch eine Weile dahin über den Ostgrat. Ganz zuletzt hat es auch noch ein paar Drahtseile, aber die bräuchte es dann auch nicht mehr.
Eine hübsch angelegte Treppe.
Am Fuß des Ostgrats, die Zwickauer Hütte.
Das Rotmoosjoch (tiefster Punkt). Rechts die Geröllrampe, links davon wäre der Einstieg zum Kletterstieg. Auf dem Gletscher der Felssturz vom Scheibenkogel.
Der Felssturz ist überwunden.
Foto von Etienne: im gemütlichen Teil des Rotmoosferners.
Es muss prächtig ausgesehen haben, als der gesamte Talkessel noch mit Gletscher gefüllt war.
wir hatten vor einiger Zeit mal kurz nach Deinem Unfall gemailt. Wir teilen Vornamen, Geburtsjahr, Geburtsort - und natürlich die Leidenschaft Bergsteigen ;)
Freut mich, dass Du scheinbar wieder höhere Ziele angehen kannst, das war wirklich ein langer Weg. Umso schöner wird es sich womöglich anfühlen.
Weiterhin alles Gute!
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