Der einfachste und direkteste Weg von München in die Alpen, so man denn von neuzeitlichen Errungenschaften wie Autobahnen absieht, das ist die Isar. Ein richtig alpiner Fluß, der bis
München sein Geschiebe aus dem Karwendel mitführt.
Während andere Städte wie Paris oder Rom ihre Flüsse zu wenig mehr als Dreckwasser-Kanäle degradierten, hat München auf seine Isar (fast) immer acht gegeben, oder es hat zumindest
ein Umdenken eingesetzt. Es fanden in jüngster Zeit
zahlreiche Renaturierungen statt, so dass man nur wenige Kilometer die Isar aufwärts radeln muss, um der Natur wieder nah zu sein.
Meine erste Etappe auf den Weg in die Alpen, führte mich also durch das Isartal weiter durch die Voralpenschaft nach Bad Tölz, den Alpen-Nordrand.
Zuerst musste ich aber mal nach München kommen, ich wohne etwas westlich davon, im Speckgürtel. Durch den gilt es zu radeln und den vielen Verkehr zu überleben. Je weiter Richtung
Innenstadt, umso dicker die Autos und rücksichtsloser die Besitzer. München ist keine radfreundliche Stadt.
Es war gerade Oktoberfestzeit. 10.30 Uhr am Morgen, als ich an der Theresienwiese vorbeikam. Die Massen drängten aus den Zügen und wanderten mit Tracht und Bierflaschen bewaffnet,
vorgeglüht zum Festplatz. Wenn man das menschliche Balzverhalten studieren will, dann dürfte es wohl keinen besseren Ort geben. Vor dem Eingang zur Festwiese liegt
ein Fahrradfahrer, ein anderer hat ihn förmlich "abgeschossen". Glück im Unglück, einen besseren Ort mit massenweise ausgebildeten Hilfskräften unmittelbar in der Nähe, gibt es in der
Konzentration wohl sonst nur direkt in Krankenhäusern.
Am Deutschen Museum erreiche ich schließlich die Isar. Südwärts geht es von nun an den Fluß aufwärts. Es dauert nicht lange und man fühlt sich nicht wirklich so, als ob man in einer Großstadt
unterwegs wäre. Das heißt, an dem Tag haben einige der Münchner Schulen Wandertag und ich muss an einigen Klassen vorbei. Es scheint so, als ob jeder Mensch von Haus aus eine gespaltene
Persönlichkeit quasi bei Grundinstallation mitbringt. Jedenfalls macht man in der Gruppe Sachen, allein würde man niemals auf den Gedanken kommen. So darf ich am Vorbeiradeln die Faxen
der Schüler ertragen.
Der Flaucher ist Ende September wenig gefüllt, im Sommer verwandeln sich die Uferstreifen zum größten Grillplatz der Stadt. Dann hängen apokalyptische Rauchschwaden über der Isar. Es
geht noch am Zoo vorbei und man gelangt ins Isartal, dem bevorzugten Naherholungsgebiet für alle sportlichen Münchner. Die Bäume stehen hier dicht bis zu den Kiesbänken am Wasser.
Mountainbiker durchstreifen auf regelrechten Trails das Unterholz. Das hat im Laufe der Zeit dramatisch überhand genommen, so dass mittlerweile durch diverse Maßnahmen versucht wird,
die Masse wieder auf die rechte Bahn zu geleiten.
Mittels der Grünwalder Brücke wechsele ich die Flußseite. Kurz darauf kommt man an den in Münchner Kletterkreisen gut bekannten Buchenhain vorbei. Das Isartal ist dem Bereich von
München Thalkirchen bis Schäftlarn durch das schrofe Isar Steilufer eingerahmt. Der Untergrund besteht aus Konglomerat. Runde Kiesel welche der Fluß mit Schlamm zusammengebacken hat.
Im Laufe der Zeit grub sich die Isar ihr Bett immer tiefer und die ehemaligen Kiesbänke kommen nun als Steilwände wieder zum Vorschein. An einigen Stellen ist das sogar kletterbar und
so haben die Altvorderen der Münchner Kletterelite am Buchenhain ihren Klettergarten eingerichtet. Wahrscheinlich der miserabelste weltweit. Glatt polierte Kiesel mit einer Art Sinter überzogen,
kein guter Griff weit und breit, rutschig, brüchig, steinschlaggefährdet, gerne auch nass. Aber, wer hier gut klettern kann, der klettert überall gut, weil überall anders der Fels besser ist.
Unweit davon findet sich mitten im Fluß der Georgenstein. Die Isar wurde früher zur Flößerei von Holz aus den Alpen verwendet und die Stromschnellen am rund 5 Meter hohen Felsblock waren
ein gefürchtetes Hindernis. Auch heute sind von Wolfratshausen bis Thalkirchen im Sommer noch Flöße unterwegs. Allerdings zum Freizeitvergnügen, von Münchner Firmen bevorzugt gewählte
Teamevents mit Saufgelagen und Musik dazu. Jaja, der Mensch, ein seltsames Wesen.
Langsam aber sicher wird die Radfahrt an der Isar aber nun etwas einsamer, was auch gut ist, bevor ich noch auf mehr so komische Gedankengänge über die menschliche Natur komme. Der Weg
an der Isar entlang wird kurzfristig etwas unübersichtlich und vor allem gesellt sich ein sehr steiler Anstieg hinzu. Dahinter rolle ich hinunter und lande in einem fantastischen Auwald,
durchzogen von kleinen Bächen. Ein Specht hämmert nach Futter. Vor Schäftlarn wird das Gelände wieder weitläufiger, ich radele auf einem Damm und staune nicht schlecht, überall blühen
Krokusse. Zum ersten Mal tauchen die Berge am Horizont auf, saftige Wiesen, eingerahmt vom Hochufer links und rechts. Hier steht das Kloster Schäftlarn, Mönche hatte schon immer ein
Gespür für besonders idyllische Flecken.
Die Isar ist immer wieder in den Altfluss und Seitenkanäle aufgeteilt, ich denke hauptsächlich, um die Wasserkraft nutzbar zu machen. Bei Schäftlarn wird dies besonders deutlich. Das
Gelände ist absolut eben und asphaltierte "Rennstrecken" laden zu sportlicher Betätigung ein. Dementsprechend eifrig werden die Wege mit Fortbewegungsmitteln aller Art genutzt.
Das Isartal ist dabei gesäumt von Biergärten, welche sich reger Beliebtheit erfreuen. Ich stärke mich im Aujäger, einem Gasthof in der Pupplinger Au nahe bei Wolfratshausen. Diese Stadt
liegt nicht direkt an der Isar, man müsste einen Abstecher machen. Hinter Wolfratshausen, also flussabwärts, mündet die Loisach in die Isar. Etwas weiter Richtung Berge liegt Geretsried.
Man fährt dabei durch einen schönen Wald und bekommt fast gar nicht mit, dass sich rechterhand die mittlerweile größte Stadt im Landkreis Bad Tölz-Wolfratshausen befindet. Dabei hat
Geretsried eine interessante, noch recht "junge" Geschichte, die mit dem 2. Weltkrieg beginnt. In den Wäldern gab es zwei große, gut versteckte Sprengstofffabriken, mit vielen
Zwangsarbeitern. Die leerstehenden Baracken und Verwaltungsgebäude nutzte man nach dem Krieg, um Heimatvertriebene unterzubringen.
Hinter, bzw. ich fahre die Isar hoch, also besser vor Geretsried wird das Gelände hügelig. Den direkten Weg an der Isar entlang wandert man lieber. Ich weiche mit dem Fahrrad in den Wald
daneben aus, welcher noch durch rechtwinklig angelegte asphaltierte Wege der ehemaligen Nazi-Fabrik durchzogen ist. Dann wird es richtig steil und man erreicht den "Malerwinkel". Dieser
Fleck heißt nicht umsonst so, man steht hoch über den Isarufer und hat einen schönen Blick hinab auf den Fluß, der hier eine fotogene und sicherlich auch für Maler attraktive Schleife
macht.
Es geht hinab und man landet auf der Straße zwischen Königsdorf und Bad Tölz. Einen besseren Weg konnte ich nicht finden und so radele ich die letzten Meter etwas missmutig wegen der
vielen Autos nach Tölz. Die Stadt ist doch etwas verwinkelt und so finde ich mein vorab gebuchtes Hotel nicht auf Anhieb. Ich drehe meine Schleifen, bis ich endlich auf die Idee komme,
das mitgeführte GPS-Gerät zu nutzen. Es klappt und wenig später entspanne ich im Hallenbad der Unterkunft. Hier hängt ein altes Bild von Bad Tölz. Ein paar Häuser, viel Wiese und dahinter
die Berge. Wie schnell die Zeiten sich doch ändern, heute zählt die Stadt fast 20000 Einwohner.
Nicht das ich es empfehlen möchte (der Schreibstil ist mir zu kitschig), aber in dem Buch von Johannes Wilkes "Das kleine Isar-Buch" (Verlag Friedrich Pustet) findet sich doch das eine oder
andere wissenswerte rund um die Isar.
Der Marienplatz zu München. Das Herz der Stadt, wenn man so will. Dominantes Gebäude ist das Rathaus. Wann immer dieser eine Fußballverein was gewonnen hat, also oft, dann stehen
die Gewinner da oben auf dem Balkon und darunter jubeln die Anhänger. Schon ein seltsames Wesen, dieser Mensch.
Es ist das "neue" Rathaus, welches in den Jahren von 1867 - 1909 in drei Phasen errichtet wurde. Während des Krieges wurde es bei den Luftangriffen auf München 1944 nur leicht beschädigt.
Am westlichen Ende des Marienplatzes findet sich das alte Rathaus, erbaut von 1470 - 1475 und bis 1874 in Betrieb. Im 2. Weltkrieg wurde das Gebäude schwer beschädigt, der Turm musste
schließlich wegen Einsturzgefahr gesprent werden. Nach und nach erfolgte nach dem Krieg schließlich die Rekonstruktion.
Unter dem Turm führt ein Durchlass zum Tal. Heute beherbergt das Gebäude das Spielzeugmuseum.
Das italienische Verona ist Partnerstadt von München. In Verona spielt die Geschichte von Romeo und Julia. Eine Kopie der Bronzestatue, welche im Hof des angeblichen Wohnhauses steht,
kam schließlich als Geschenk nach München und steht seither vor dem Turm des Alten Rathauses.
Nun die Quizfrage, wo muss man hinlangen, um dem Glück in der Liebe nachzuhelfen?
Am Deutschen Museum ist die Isar erreicht. Da denkt man unweigerlich an die Wasserversorgung von München. Zu früheren Zeit sicherlich auch durch die Isar. 1872 gab es eine
Typhusepidemie. So wurden seit 1883 andere Gebiete erschlossen, Quellwasser aus dem Mangfalltal, dem Loisachtal und der Münchner Schotterebene. Unterirdische Leitungen versorgen die Stadt.
München wurde 1158 zum ersten Mal urkundlich erwähnt. Die damals schon bestehende Siedlung lag an der "Salzstraße", für diese wurde ein Übergang über die Isar errichtet. Der eigentliche
Aufstieg begann 1255, als es herzogliche Residenz wurde.
Die "Salzstraßen" waren ein mitteralterliches Geflecht von Handelswegen, welche das begehrte Gut von den Abbaugebieten zu den größeren Städten brachten. Eine Route war zum Beispiel von
Bad Reichenhall über München, Landsberg zum Bodensee.
Bis Anfang des 19. Jahrhunderts war die Isar im Münchner Bereich eine intakte alpine Flusslandschaft. Dann setzte ein zunehmende Verbauung und damit einhergehende Kanalisierung ein.
Hochwasserschutz und später die Nutzung der Wasserkraft waren die Ursachen hierfür. Der Platz für das Wasser wurde immer weniger, die Fließgeschwindigkeiten erhöhten sich. Man hatte
also das genaue Gegenteil erreicht, dem Hochwasser fehlte der Platz. Die begradigte und einbetonierte Isar gab wohl auch optisch nicht mehr viel her.
Von 2000 - 2011 erfolgte deswegen eine Renaturierung, eine Neugestaltung, "naturnäher" oder was man sich halt darunter vorstellte. Der Isar wurde wieder Platz gegeben. Die charakteristischen
Kiesbänke sind wieder sichtbar, die alpine Herkunft des Wassers ist wieder erlebbar. Ein gelungenes Projekt also, wie ich finde.
An diesem Wehr sind anhand der angespülten Baumstämme die Kräfte der Isar bei Hochwasser zu erahnen. Bis vor nicht allzu langer Zeit nutzte man die Isar zur Flösserei. Diese war ab
Mittenwald befahrbar und wurde zum Waren- und Personverkehr benutzt. Es gab wohl sogar eine Art Fahrplan und man konnte so bis Wien gelangen. An Waren wurde vor allem transportiert,
was die Berge so hergaben, also Holz und Steine. Die Flösse selber dienten am Zielort als Bauholz.
Heute gibt es noch Flossfahrten für Touristen. Von Wolfratshausen kann man sich dabei bis zur Flosslände in München beschaulich befördern lassen. Bayerisches Brauchtum wird dabei
(im Übermaß) gepflegt, also Blasmusik und Bier. Okay, in erster Linie wird gesoffen und die Frage sei erlaubt, wozu braucht man dazu ein Floß? Kann man auch daheim im Keller machen.
Links im Bild kann man den Aufbau des Isar-Hochufers erkennen, Nagelfluh. Durch Sedimente zusammengehaltene Isarkiesel, wenn man so will. Wobei das wohl eher Hinterlassenschaften der
Eiszeitgletschers sind, durch welche die Isar sich im Laufe der Zeit ihr Bett grub. Jedenfalls ist das alles nicht gerade sehr solide, wie man leicht erkennen kann. Deswegen sind auch
immer wieder Abschnitte im Isartal aufgrund Gefahr von Steinschlag gesperrt.
Ein bisschen Wagemut gehört also auch dazu, wenn man den Klettergarten im Buchenhain besucht, wo einst die Münchner Kletterelite ihre Fähigkeiten schulte.
Im Isartal, die Kiesbänke sind typisch für die Isar. Es handelt sich natürlich um aus den Bergen mitgeführtes Gestein. Wenn man das Karwendel kennt, in dem die Isar entspringt, wundert
es nicht, warum es so reichlich viele Steine sind.
Bei Grünwald führt heute eine Brücke über die Isar. Zu Römerzeiten hatte die Isar als Verkehrsader nicht die Bedeutung. Das lag wohl daran, dass die Gegend bei München eher dünn besiedelt war. Das
heutige Bayern gehörte bis etwa zur Donau zur Provinz "Raetia" und so sind auch einige Siedlungsreste rund um München nachweisbar.
Die Römerstraße "Via Julia" von Salzburg nach Augsburg querte wohl beim Georgenstein die Isar. Aber auch der Übergang über den Brenner wurde bereits von Römern genutzt. Die "Via Raetia"
folgte der Isar von Scharnitz bis Mittenwald, verlief dann aber über Partenkirchen entlang der Loisach und schließlich nach Augsburg.
Das ist der Georgenstein, wo einst die römische "Via Julia" die Isar querte. Vor Regulierung der Isar waren die Stromschnellen auf Höhe des Stein ein gefährliches Hindernis für die
Flößer. 1805 kenterte an dem Felsblock ein gewisser Georg Müller. Er rief seinen Namenspatron um Hilfe an und nach der Rettung brachte er als Dank das heute sichtbare Heiligenbild auf
dem Felsen an.
Beim Georgenstein ist das Isartal recht eng, weiter flussaufwärts Richtung Schäftlarn weitet es sich. Hier hat es schöne Auwälder.
Bei Schäftlarn wird ein Teil des Wassers in einen Kanal umgeleitet. Die flache Senke zwischen den Hochufern durchziehen viele Hochwasser-Dämme.
Ich staune nicht schlecht, als ich den Damm über und über mit blühenden Krokussen vorfinde.
Das Kloster Schäftlarn, welches bereits im Jahre 762 gegründet wurde.
Die wahren Besitzer des Isarkanals.
In der Pupplinger Au bekommt man vom nahen Wolfratshausen nichts mit. Stattdessen fährt man durch diesen schönen Wald entlang der Isar.
Der nächste Ort ist Geretsried, welcher aber kaum bis zur Isar reicht. Deswegen macht der Fluß in diesem Abschnitt auch einen sehr naturnahen Eindruck.
Das heutige Geretsried entstand in der Umgebung einer Sprengstofffabrik im 2. Weltkrieg. Diese war durch dichten Wald gut getarnt. Noch heute durchziehen rechtwinklig zueinander angelegte
Straßen den Forst und immer wieder finden sich Hinweisschilder zur Geschichte des Ortes.
Hinter Geretsried sind die Alpen nah und prompt wartet die erste Bergetappe. Steil geht es hoch zum Malerwinkel, von dem man einen schönen Blick auf eine Isarschleife tief unter einem geniesst.
Leider ist der Blick etwas zugewachsen.
Nach einem doch recht langen Tag ist Bad Tölz erreicht.
Nach dem ich mein Hotel endlich gefunden habe, entdecke ich darin diese historische Aufnahme von Tölz. Viel Wiese, viel Berge. Die Berge gibt es noch, die Wiese ist inzwischen zugebaut.
Der Hügel auf dem die Kirche steht, ist der Kalvarienberg. Das ist eine andere Bezeichnung für die Passion Christi, welche dort anschaulich und detailreich dargestellt ist. Im Mittelalter war
der früher "Höhenberg" genannte Hügel tatsächlich eine Hinrichtungsstätte.
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