Oje, oje ... den ganzen Tag quasi nur rumgebastelt. Zuerst nahm ich mir den Kocher vor. Ich hatte ja statt Kerosin, Petroleum in
Lhasa erwischt. Folge, der Kocher war ständig verstopft. Mit einer neuen Düse brachte ich ihn wieder halbwegs zum Laufen. Nächstes
Problem, das Fahrrad. Gestern dachte ich ja noch die Kette macht solche Geräusche. Bei einer Probefahrt stellte ich fest, dass
der hintere Zahnkranz ziemlich rumeierte und das Krachen kam von der Nabe. Mein erster Tipp, ein Achsbruch! Also zerlegte ich
das Teil und dabei zerlegte sich der Freilaufkörper quasi selbständig. Die Kugeln aus dem Lager waren über den ganzen Boden
verstreut. Leichte Panikattacken überkamen mich und da entdeckte ich auch noch, dass es im Freilauf einen Metallring zerbröselt
hatte. Die Metallstückchen verursachten das Krachen. Irgendwie hab ich trotzdem wieder alles zusammengebastelt, so dass es
wieder einigermassen läuft. Dank des fehlenden Metallrings im Freilauf flattert nun der Hinterreifen gegenüber der Achse. Wie
lange wird das halten? Gerade jetzt, wo die spannenden Etappen kommen ... Je nach dem wie stark ich die Kontermutter anzog, konnte
ich mir jetzt aussuchen, ob ich mit null Freilauf oder mit flatternden Hinterreifen fahren möchte. Ich entschied mich für ein
Zwischending, was zur Folge hatte, dass ich bei kleinen Gängen aufpassen muß, dass es mir nicht die Kette in die Speichen
zieht, da der Freilauf immer erst ein paar Umdrehungen später mitlief, nach dem ich mit dem Treten aufgehört hatte.
Eine weitere Probefahrt führte mich ein Seitensträßchen hoch nach Shekar Dzong. Dort hat es eine tolle Festungsruine, aber dafür
hatte ich heute keinen Nerv mehr. Ich machte mir über andere Dinge Sorgen ...
Bleibt noch zu erwähnen, dass man sich hier in Baipa ein Permit für den Chomulungma-Nationalpark holen muß. Kostet 150 Yuan.
Baipa ist zwar nicht allzu groß, das Büro, wo die Permits verkauft werden, findet man trotzdem nicht. Ich habe meinen Hotel-Chef
damit beauftragt.
19.10.03 - 11. Etappe: Pang La
Etappe
Baipa - Pang La - Tashi Dzom
Kilometer
64 km
Höhenmeter
900 m
Das Beste zuerst, Fahrrad hat gehalten, jeder Meter ein Geschenk! Heute morgen gab es gleich nach Baipa einen Checkpoint. Das ist so
ziemlich der größte am ganzen Friendship-Highway. Hier wird jeder kontrolliert. So wurde mein Paß begutachtet, mein ATP
interessierte keinen. An sich hätten die mich auch so durchgewunken, aber ich bin halt dann doch stehen geblieben und da haben
sie wohl der Vollständigkeit halber meinen Paß kontrolliert.
Kurz darauf traf ich dann den ersten Radler, der scheinbar wie ich, ohne Begleitjeep unterwegs war und sein Gepäck selber
transportierte. Ein Chinese, der leider kein Englisch konnte. Er übernachtete in Baipa im gleichen Hotel wie ich und war
da gestern schon mit dem Jeep vorgefahren. Und jetzt steht er hier und wartet wieder auf einen Jeep, der ihn mitnimmt.
Was soll ich davon halten? Macht er das mit dem vollen Gepäck nur zur Show?
Um zum Everest zu gelangen, muß man den Friendship-Highway verlassen und in ein anderes Tal fahren.
In Chay wollten sie dann das Permit für den Everest-NP sehen. Als Straßensperre diente ein über die Straße gespannter Draht,
den ich fast übersehen hatte. Natürlich wollte jeder der Kontrolleure mal auf meinem Fahrrad Platz nehmen und sich dabei vom
Kollegen ablichten lassen.
Der Pang La ist 5200 m hoch und über dem muß man drüber, wenn man zum Everest will. In meinem Führer war der als der übelste
Paß überhaupt beschrieben, doch welch Freude, die Chinesen hatten im Jahr zuvor die ganze Straße saniert. So gab es noch nicht
die üblichen Schlaglöcher und eine Waschbrettpiste hatte sich auch noch nicht gebildet. Die Steigung war so angelegt, als ob
die Chinesen dabei speziell an Fahrradfahrer gedacht hätten. Super zu radeln geht es schön flach mit 42 Serpentinen zum Paß hoch.
Schön langsam komme ich mir vor wie Jan Ulrich. Alle wollen wissen, was ich hier so treibe. Ich ernte Bewunderung für mein Treiben
und bekomme von Jeep-Touristen immer gleich was zu Essen zugesteckt. Ich muß wohl echt ziemlich verhungert aussehen.
Oben dann endlich der Lohn aller Mühen, die astrein-legendäre-megakrasse Superaussicht auf den Himalaya. Als da wären, Makalu,
Everest, Cho Oyu und Shisha Pangma. Wahnsinn! Leider verdiente auch der Gegenwind dieses Attribut. Das blieb so bis ins Tal
runter. Weil kaum hat man den Paß, geht es wieder runter auf 4100 m, um dann gleich wieder zum Rongphu-Kloster auf 5000 m
hochzustrampeln.
Die Landschaft hier ist Tibet pur. Am Wegesrand stehen auch einige Ruinen. Verursacher sind die Nepalis, die hier mal im 18. Jhdt.
eingefallen sind. In Tashi Dzom fand ich ein nettes Guesthouse, fast schon Nepal-Style. Leider bin ich mal wieder der einzige
Gast. So sitze ich abends mit der ganzen Gastgeber-Familie in der Küche. Englisch kann wieder keiner und alle schauen mir beim
Essen zu. Da hilft nur eins, Bücher aus meinem Fundus austeilen, dann sind sie beschäftigt mit Bilder angucken.
20.10.03 - 12. Etappe: Kloster Rongphu
Etappe
Tashi Dzom - Kloster Rongphu
Kilometer
43 km
Höhenmeter
800 m
Das mit dem einzigen Gast änderte sich mitten in der Nacht. Eine Horde Chinesen fiel ein. Was dann abging, kann man eigentlich
kaum beschreiben. Zunächst wurde zu jedem Zimmer ganz selbstverständlich die Tür aufgerissen und Licht angemacht. Nach
mehrmaligen auf und zu mußte ich doch einmal kräftig zurück fauchen, um meine Ruhe zu haben. Das Guesthouse verfügte zwar
über einen Waschraum, was ich aber in der Früh vorfand, war einfach nur ekelerregend. Ich hatte es mir ja schon gedacht, bei
dem ständigen Gerotze und der Spuckerei, die durch die Tür zu hören war. Der Flur sah aus, als hätte sich eine Horde Besoffener
kräftig ausgekotzt. Nicht mal zum Zähneputzen sind die ans nächste Waschbecken gegangen. In was für Häusern leben die in China,
sind dort die Böden mit Gitterrosten über der Kanalisation ausgelegt?
Morgens war es richtig kalt. Die Straße, die gestern noch so gut war, verwandelte sich in die übelste Waschbrettpiste überhaupt.
Dazu noch ein strammer und v.a. kalter Gegenwind. Tja, und ich hab es ja bisher immer für Ammenmärchen gehalten, aber die Kids
in diesem Tal warfen tatsächlich mit Steinen nach mir. Wenn ich dann stehen blieb, hielten sie die Hand auf und fragten nach
Geld. Man merkt überdeutlich, dass hier viele Touristen auf dem Weg zum Everest durchkommen. Irgendwann wurde es mir zu bunt
und ich hab einfach zurückgefeuert.
Irgendwann schaute dann der Everest um die Ecke, Wahnsinn wie nah man hier schon dran ist! Was für ein gigantischer Anblick. Im
Kloster Rongphu war richtig viel los, jede Menge Jeep-Touristen steigen hier im Kloster-Guesthouse ab. Abends gab es ein
gemütliches Zusammensein um den Ofen, wie ich es von nepalesischen Lodges her kenne. Mit meinen 6 Wochen war
ich natürlich mal wieder der Kurzurlauber.
21.10.03 - 13. Etappe: Im Basecamp
Etappe
Kloster Rongphu - Basecamp
Kilometer
8 km
Höhenmeter
200 m
Irgendwie schon schwer zu glauben, dass man zum Everest-Basecamp mit dem Fahrradl fahren kann. Aber es geht. Morgens war es
aber zunächst fürchterlich kalt. Geduckt hinter einer Moräne kommt das Basecamp um die Ecke. Hier stürmte es gewaltig. Hinten
im Tal steht eine riesige Mauer, die da Himalaya heißt und der Everest sieht von Norden unglaublich beeindruckend aus.
Im Basecamp hat es fixe Zelte, die Besitzer sind Tibeter und hier kann man für wenig Geld übernachten und was zu essen bekommen.
Sogar die China Post hat hier eine Filiale. Will man über das Basecamp hinaus trekken, müßte man sich eigentlich bei einem
chinesischen Offizier melden und 100 USD löhnen. Zum Glück war der Abzocker vom Dienst schon längst wieder im Tal. Auch die
Leute, bei denen ich übernachte, wollen morgen die Zelte abbauen und ins Tal zurückkehren.
Nachmittags wanderte ich also bis zum Rongphu-Gletscher. Dazu muß man anfangs eine größere Ebene überqueren, wo der Wind
gnadenlos bläst. Hat man endlich die Endmoräne erreicht, hält man sich links und geht immer in einer Rinne zwischen Moräne und
begrenzende Hügel. Nach so ca. 2h und auf 5270 m Höhe, hat man den Punkt erreicht, wo man die Eismassen des Rongphu-Gletschers
sieht. Nach links geht es ein Tal hoch zum östlichen Rongphu-Gletscher und weiter bis zum ABC (Advanced Basecamp) auf 6300 m.
Bis dahin könnte man relativ problemlos bei entsprechender Akklimatisierung auch trekken. Dazu müßte man aber noch ein
Zwischencamp einlegen. Ich gab mich mit dem erreichten Punkt zufrieden. Der Everest ist zum Greifen nahe, man sieht die
drei Schlüsselstellen am Nordost-Grat. Auch ein Zacken, von dem ich glaube es ist der Pumori, war zu sehen. Dazu jede Menge
anderer Sechs- und Siebentausender.
Die Höhenluft machte sich doch bemerkbar und das obwohl ich mich ja jetzt schon seit ein paar Wochen über 4000 m bewege. Der Bursche,
der in dem Zelt arbeitet, wo ich meine Nacht verbringen werde, kann gut Englisch und ist seit acht Monaten hier im Basecamp.
Er ging in Kathmandu zur Schule, lernte dort Englisch und macht sowas wie eine Ausbildung zum Touriguide. Hätte nicht gedacht,
dass es sowas hier gibt.
22.10.03 - 14. Etappe: Auf Abwegen
Etappe
Basecamp - Lamna La
Kilometer
55 km
Höhenmeter
800 m
Die Nacht im BC war furchtbar. Ein stetiger Sturm orgelte über das Zelt. So versuchte ich morgens möglichst früh in die Gänge
zu kommen, runter in gemütlichere Gefilde. Vom Touriguide aus KTM hab ich mir einreden lassen, dass der Weg über den Lamna La
mit Fahrrad kein Problem sei. Das ist der schnellste Weg nach Tingri und mir bleibt es erspart wieder den Weg nach Tashi Dzom
und über den Pang La zu radeln.
Das mit dem "kein Problem" relativierte sich ziemlich schnell, mit Abstand das Anstrengste was
ich jemals mit dem Fahrrad gemacht habe. Man fährt vom Kloster Rongphu wieder das Tal runter, welches man hoch gekommen ist.
Dort wo es wieder flacher wird macht der Fluß und damit auch die Straße eine Biegung nach rechts. Hier sieht man einen Einschnitt
zwischen den Hügeln der in ein anderes Tal führt. Bei genaueren Hinsehen erkennt man auch den Weg. Zuerst muß man aber zum
Fluß runter. Von Weg kann man nicht wirklich sprechen, es geht über Schotter und große Kieselsteine. Danach gilt es die
Betonbrücke über den Fluß zu finden. Für Leute die sich für diesen Weg interessieren, sei das Buch "Trekking in Tibet" von
Gary McCue empfohlen (Lamna La, Ra Chu Valley). Das letzte Dorf vor dem Lamna La nennt sich Zhomphu, danach kommt lange nichts
mehr. Bis dahin ist der Weg auch völlig in Ordnung. Die Landschaft ändert sich schlagartig, plötzlich meint man, man ist in
einer Wüste unterwegs. Nach Zhomphu geht es lästigerweise links runter und danach immer an der Flanke eines Hügels entlang. Der
Weg wird mit jedem Meter schlechter. Teilweise war es auch so steil, dass ich mein Fahrrad schieben mußte. Hinzu kam dieser
ständige nervige Gegenwind. Als ich einen
Sattel erreichte, dachte ich, endlich der Paß, jetzt geht es runter. Aber von wegen. Ich war mittlerweile auf 5000 m und es galt
eine große Hochebene zu überqueren. Schon erstaunlich, dass dieser Weg hier in einer Broschüre zum Everest-NP als National-Road
eingezeichnet ist. Es kommen einem aber auch ein paar Jeeps entgegen. Ganz alleine ist man hier also nicht unterwegs. Nach 5 km
immer leicht bergauf, mit felsigem und lockeren Untergrund, Gegenwind und zugefrorenen Bachläufen, endlich der höchste Punkt (5060 m). Gleich
dahinter ging es runter. Ich war fix und fertig und konnte wenig später einen Zeltplatz zwischen einem von Nomaden errichteten
Steinwall finden. Bin ziemlich erschrocken, als der Höhenmesser immer noch 5000 m anzeigte. So kam auch meine Daunenjacke zum
Einsatz.
23.10.03 - 15. Etappe: Zurück in der Zivilisation
Etappe
Lamna La - Tingri
Kilometer
37 km
Höhenmeter
100 m
Morgens schaute gleich die Sonne ins Zelt, was so manches erheblich vereinfachte. Nur der Kocher streikte wieder und es dauerte
etwas, bis er in Schwung kam. Irgendwie werde ich den Eindruck nicht los, dass das Ding nicht ganz höhentauglich ist (Primus-
Multifuel). Okay, Petroleum ist halt nicht gerade der günstigste Brennstoff. Beim Zusammenpacken der übliche Besuch von Tibetern.
Die beiden waren nett und halfen mir beim Zusammenpacken. Davon haben sie als Halbnomaden wohl mehr Ahnung als ich. Zum Dank gab
es chinesische Müsliriegel, die übrigens furchtbar schmecken. Aber wer Buttertee literweise saufen kann, schafft auch so einen
Müsliriegel ...
Nicht ganz so ausgelaugt wie gestern, konnte ich heute die unglaublich schöne Landschaft
geniesen und es ging ja auch bergab.
Eine Art Wüste zur Rechten mit überdimensionierten Sanddünen und Schneeberge zur Linken. Der Weg blieb aber eine Härteprüfung.
Geröllfelder gab es zu überqueren, zugefrorene Bäche, usw. Abenteuerlicher Höhepunkt, eine Flußdurchquerung, knietief. Nebenan
stand auch einer mit seinem Jeep, den hätte ich auch fragen können, aber das hätte mit meiner "ehrlichen" Einstellung für diese
Reise nicht zusammengepasst. Da half nix, Schuhe aus und durch, durch das eiskalte Wasser. Das ganze drei Mal, bis ich mein Zeug
drüben hatte. Die Füsse waren danach völlig taub. Kaum war ich drüben, wanderten drei Franzosen daher. Jetzt war mir klar, warum
hier ein Jeep wartet. Nur um die Franzosen über den Fluß zu bringen. Und ich traute meinen Augen nicht, drüben wanderten sie
vom Jeep verfolgt weiter. Trekking mit Begleitfahrzeug sozusagen. Der Weg führte durch eine Schlucht weiter und bald öffnete sich das Tal
in Richtung Tingri. Von da hatte man einen umwerfenden Blick zurück auf den Cho Oyu. Ich bin in der Everest-sonstwas-Lodge kurz
vor Tingri abgestiegen, wo auch die meisten Tourgruppen absteigen. Das kommt mir hier vor wie der größte Luxus, Dusche hat es
keine, aber vier Wände machen schon jede Menge aus.
Am Fahrrad mußte ich auch wieder Hand anlegen, der Zahnkranz wackelte wieder bedenklich gegenüber Felge, bzw. Nabe. Aber die
letzten Kilometer bis Kathmandu wird es jetzt hoffentlich auch noch halten. Ansonsten mußte ich vorne neue Bremsklötze dranmachen.
Abends kamen die ganzen Tourbusse, lauter Senioren. Bei denen gibt es alles fix vorgesetzt, nicht mal Abendessen dürfen sie sich
aussuchen. Heute hat es sich zum ersten Mal seit Wochen auch wieder zugezogen. Gegen Abend war der ganze Himmel bedeckt. Mal
schauen, wie lange das anhält und vielleicht hat ja dann auch endlich mal dieser fürchterliche Gegenwind Pause.
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